Dudley West sagt nein

■ Eine britische Industriestadt verpaßt den Tories eine bittere Wahlniederlage

Dublin (taz) – Die EinwohnerInnen von Dudley West haben ihren Ort in die englischen Geschichtsbücher geschrieben: Bei der Nachwahl zum Unterhaus verpaßten sie den britischen Tories am Donnerstag eine Niederlage, wie sie seit 1935 keine Partei mehr hinnehmen mußte. Der Labour- Kandidat Ian Pearson gewann rund 69 Prozent der Stimmen, während Graham Postles von den Konservativen nur knapp 19 Prozent erringen konnte.

Der Umschwung von den Tories zur Labour Party beträgt demnach 29,12 Prozent – wäre das auch bei den nächsten Unterhauswahlen der Fall, so würden sämtliche Tory-Abgeordneten einschließlich Premierminister John Major ihre Sitze einbüßen.

Labour-Chef Tony Blair war entsprechend euphorisch. „Es hat sich gezeigt, daß die Tory-Politik der achtziger Jahre am Ende ist“, sagte er. Bei den Tories hat man bereits einen Sündenbock ausgemacht: Schatzkanzler Kenneth Clarke, der in der vergangenen Woche versucht hat, die Mehrwertsteuer auf Heizmaterial zu erhöhen. Stephen Dorrell, Minister für kulturelles Erbe, machte außerdem die „Blair-Flitterwochen und die Euro-Rebellion“ für die Niederlage verantwortlich. Einziger Trost für die Konservativen ist die niedrige Wahlbeteiligung von nur 47 Prozent. Die meisten ihrer Wähler blieben zu Hause.

Majors Vorsprung im Unterhaus ist damit auf 13 Stimmen geschrumpft, wenn man die neun Euro-Rebellen, die wegen ihres Votums gegen Großbritanniens EU- Finanzbeitrag aus der Fraktion ausgeschlossen worden sind, weiterhin zu den Tories rechnet. Die Wahl in Dudley West wurde durch den Tod des Tory-Abgeordneten John Blackburn ausgelöst – der vierte Hinterbänkler, der Major seit den letzten Wahlen weggestorben ist. Im Durchschnitt ereilt der Tod 10,7 Tory-Abgeordnete in einer Legislaturperiode. Sollten in den kommenden zwei Jahren also weitere 6,7 konservative Parlamentarier sterben, wäre Majors Mehrheit auch ohne Zutun der Euro-Gegner dahin. Ralf Sotscheck