: Lizenz zum Überfischen
Die EU-Länder genehmigen sich zu hohe Fangquoten / Spanien und Portugal fordern gleiche Rechte für ihre großen Fischereiflotten ■ Aus Brüssel Alois Berger
Fische dürfen in der Europäischen Union nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Für Unbeteiligte mag sogar der Eindruck entstehen, daß die Europäer vorwiegend vom Fischfang leben. Die spanische Regierung droht, notfalls den 1. Januar 95 als Beitrittstermin Österreichs, Schwedens und Finnlands zur EU platzen zu lassen. Die Regierung in Madrid will die Beitrittsurkunden so lange nicht unterzeichnen, bis der spanischen und der portugiesischen Fischfangflotte dieselben Rechte eingeräumt werden wie den anderen EU-Fischern.
Die Fischereiminister der EU haben sich wieder einmal festgebissen; für Deutschland erledigt diesen Job Landwirtschaftsminister Jochen Borchert. Sie haben sich zwar darauf geeinigt, daß alle Länder im nächsten Jahr genausoviel Fische aus dem Meer ziehen dürfen wie 1994, aber jetzt wollen sie verhindern, daß die spanische und die portugiesische Flotte ihre Quoten überschreiten. Deshalb sollen die beiden Länder weiterhin von bestimmten Meeresregionen ausgeschlossen bleiben.
„Gerecht ist das nicht“, räumte ein hoher deutscher Diplomat ein, aber vernünfig sei es trotzdem. Als Spanien und Portugal 1986 in die Europäische Gemeinschaft eintraten, wurde ihren Fischern eine 16jährige Übergangszeit aufgebrummt, in der sie an bestimmten Tagen und in mehreren Meeresregionen nicht fischen dürfen. Hintergrund dieser drastischen Auflage war, daß die beiden Länder eine traditionell sehr große Fangflotte haben, und jeder wußte, daß sie durch die von der EU geförderte Modernisierung noch effektiver werden würde. Tatsächlich kauft die EU jedes Jahr für viele Millionen Ecu Fanglizenzen vor afrikanischen Küsten, damit Europas Fischer dort ihrem Broterwerb nachgehen können.
Nur in den Gewässern, die den Ländern der Europäischen Union seerechtlich zustehen, dürfen die Spanier und Portugiesen nach wie vor nicht dasselbe wie alle anderen. Mit der Aufteilung der Fangquoten hat das nichts zu tun, auch Spanien und Portugal haben festgelegte Höchstmengen. Franzosen und Briten glauben nur nicht, daß sich die spanischen Fischer an diese Quoten halten, wenn man sie einfach frei fischen läßt.
Doch Spanien hat eine bindende Zusage. Bei den Betrittsverhandlungen mit Norwegen ließ sich die spanische Regierung ihre Zustimmung von einer Verkürzung der diskriminierenden Übergangszeit abkaufen. Statt erst im Jahre 2002, so versprachen die EU- Regierungen, werden die iberischen Fischer bereits 1996 gleichberechtigt. Seit die norwegische Bevölkerung den EU-Beitritt abgeblasen hat, fühlen sich Frankreich und Großbritannien nicht mehr an das Verprechen gebunden: Wäre Norwegen mit seinen reichen Fischgründen in die EU gekommen, dann ja. Aber so...
Das Argument ist zwar nicht falsch, aber scheinheilig. Mit der gestern beschlossenen Beibehaltung der Vorjahresquoten haben sich die EU-Länder ohnehin die Lizenz zum Überfischen ausgestellt. Die Europäische Kommission, die anhand wissenschaftlicher Daten für den Fischbestand verträgliche Fangmengen ausgerechnet hat, hat wesentlich niedrigere Quoten gefordert. Aber die Fischereiminister trauten sich nicht, ihren heimischen Fischern diese Reduzierung zuzumuten. Dafür wollen sie jetzt keinesfalls den Spaniern und Portugiesen nachgeben.
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