■ Während Italiens PDS über Koalitionen spekuliert:: Berlusconi bereitet das Comeback vor
Italiens Demokratie sei unvollständig, weil sie noch nie einen wirklichen Regierungswechsel erlebt hat, lamentieren Politologen und Verfassungsexperten. Die Frage ist, ob es je eine alternative Kraft gegeben hat, die ernsthaft diesen Wechsel angestrebt hat.
Sicher, an die Macht wollen natürlich alle gerne, aber das ist etwas anderes als Regieren. Nun, da die Rechte in unvorhergesehen kurzer Zeit zunächst einmal pleite gemacht hat, wäre nach demokratischen Vorstellungen die Zeit für einen Wechsel gekommen. Doch da ist, wieder einmal, nichts da. Die Linke steht ebenso wie die ihr derzeit zugeneigten Ex-Christdemokraten der Italienischen Volkspartei „ohne Programm, ohne haltbare Bündnisse, ohne konsensfähigen Führer“ da, wie die Berlusconi-feindliche Tageszeitung la Voce bemerkt, um verärgert fortzufahren: „Auch die linken Vordenker haben lediglich Streitthemen, aber keine Perspektiven.“ Offenbar unterwerfen sich die Linken bereits jetzt der Kampagne Berlusconis für sein Comeback – diesmal nicht als messianischer Strahlemann, sondern als Opfer finsterer Verschwörungen.
Der Verdacht ist nicht ganz abwegig, daß es sich hier um ein Stück Pathologie der Linken überhaupt handelt. Als Enrico Berlinguer kurz vor der Übereinkunft mit Aldo Moro stand, verhakte er sich derart in Details, daß die schon beschlossene Regierungsmitbeteiligung wieder gekippt wurde. Deutsche Sozialdemokraten geraten gemeinhin, kaum sind die Konservativen ernsthaft im Bedrängnis, ebenso in internen Streit wie Frankreichs Sozialisten.
Vielleicht wird in künftigen Geschichtsbüchern über Willy Brandt und Francois Mitterrand als deren besondere Leistung vor allem vermerkt werden, daß sie in einem bestimmten Augenblick schneller waren als die parteiinternen Regierungsverhinderer, und daß sie so wenigstens einige Zeit wirklich arbeiten konnten, ehe ihnen die eigene Truppe wieder mal klargemacht hatte, daß Besserwissen in der Opposition viel schöner ist als Verantwortung tragen.
Italiens Linke hätte Schnellstarter mit Programm und Hirn dringend nötig. Doch da ist nichts zu sehen. Und so ist anzunehmen, daß die – und dies ist umgekehrt ein Stück Pathologie der anderen Seite – im Machterhalt versierten Rechten bald wieder am Hebel sitzen werden. Werner Raith
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