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„Panzer nähern sich durch Kornfeld“

Nazipropagandist oder Heimatmaler? In Potsdam streiten ein Museum und die Stadtregierung um die Schenkung und Ausstellung von 120 Werken des Malers Rudolf Hengstenberg  ■ Von Christoph Seils

„Er war eigentlich ein unpolitischer Mensch“, so heißt es in der Biographie über den Maler Rudolf Hengstenberg, die als Ausstellungskatalog im Potsdam-Museum ausliegt. In die NSDAP sei er 1931 nur „unter dem Eindruck der Auseinandersetzungen der extremen politischen Kräfte“ eingetreten. Doch war er nun ein „Mitläufer“, wie ihm die Entnazifizierungsbehörde 1948 bescheinigte, oder eine überzeugter Nazi, wie Kritiker meinen? Rudolf Hengstenberg, der von 1924 bis 1942 in Potsdam lebte, wäre längst vergessen, hätte seine Witwe Lilli Hengstenberg der Stadt nicht kürzlich 120 seiner Arbeiten geschenkt.

Überwiegend sind dies nette Ölgemälde und Aquarelle von Potsdam oder der Mark Brandenburg. Sie zeichnen den 1974 verstorbenen als bemühten Heimatmaler aus. Einzige Auflage der alten Dame: Die Bilder sollen in einer Ausstellung in Potsdam präsentiert werden. Doch damit hat sie in der Potsdamer Kulturszene erbitterten Streit ausgelöst.

Anfang Dezember ließen Potsdams Oberbürgermeister Horst Gramlich (SPD) und sein parteiloser Kulturdezernent Claus Dobberke die Ausstellungseröffnung absagen und verzichteten auf die Schenkung. Denn Hengstenberg war nicht nur NSDAP-Mitglied, sondern von 1939 bis 1943 auch „dokumentarischer Kriegsmaler“ und Kommandant einer Propagandaeinheit an der Ostfront. Leben und Werk des Künstlers seien in der Ausstellung „kritiklos und verharmlosend“ dargestellt. Angesichts weggebrochener DDR- Wertmaßstäbe würde, so urteilte Kulturdezernent Dobberke, ein „Wiedererwachen dumpfer nationaler Empfindungen und nibelungenhafter Rückbesinnung auf die angeblich großen Zeiten Deutschlands ohne gleichzeitige Darstellung ihrer Schatten- und Schuldseiten zu einer Verzerrung der Rolle des Künstlers führen“. Ohne eine „konzeptionelle Überarbeitung“ könnten die Bilder nicht gezeigt werden. Museumsdirektorin Monika Bierschenk sprach von „Zensur“ und verwahrte sich gegen jeden Versuch, ihre „Konzeption“ zu verändern.

Am Dienstag dieser Woche wurde die Ausstellung in Potsdam dann doch still und leise eröffnet. Die „konzeptionelle Überarbeitung“ besteht aus zwei kleinen Glasvitrinen, in denen Hengstenbergs Biographie in Beziehung gesetzt wird zu „entarteten“ Künstlern wie Emil Nolde und Karl Hofer, aber auch zu strammem Nazis wie Franz Radziwill. „Für Künstler gab es“, so heißt es im Begleittext, „zahlreiche Gründe, sich mit der Macht zu arrangieren.“ Nur wer die „Nuancen zwischen Widerstand und Anpassung“ kenne, könne den Künstler Hengstenberg richtig einordnen. Wir lernen also: Man konnte sich auf die Nazis einlassen, weil man „falsche Hoffnungen“ hatte oder sich „Sorgen um den Broterwerb“ machte, „Ehrgeiz“ hatte, „politisch unerfahren“ war. Ideologische Übereinstimmung lassen die Ausstellungsmacher außen vor.

Doch da beginnt das Problem, denn während Hengstenbergs Heimatbilder erhalten blieben, sind seine Kriegs- und Propagandawerke weitgehend zerstört oder verschwunden. So malte Hengstenberg große Wandbilder für das Reichsbauministerium oder für den deutschen Pavillon auf der Pariser Weltausstellung 1937. Dieses Bild – „Maifeier im Berliner Lustgarten“ – fiel zwar durch, weil zu „expressionistisch“ geraten, aber trotzdem wurde Hengstenberg als Direktor an die „Nordische Kunstschule“ Bremen berufen.

In der Potsdamer Ausstellung muß man lange suchen, um zwischen Flußlandschaften und Backsteinkirchen die zwei, drei erhaltenen Beispiele für Hengstenbergs Propagandakunst zu finden. Etwa das Ölbild „Panzer nähern sich durch ein Kornfeld“ von 1943 oder sein Aquarell „Faust und Mephisto“ von 1943/44 (s. Bild). Die Ausstellungsmacher wollen in seinen Bildern „etwas von der Hilflosigkeit des Kriegsgrauens“ entdecken, sie seien alles andere als „verherrlichende Propaganda“. Dabei wird mit dem intellektuell stilisierten Hitler und Goebbels hinter einer Mephisto-Maske der Nationalsozialismus offensichtlich mystifiziert und idealisiert.

Die Auseinandersetzung um die Ausstellung geht weiter. Die „konzeptionelle Überarbeitung“ durch die Stadt Potsdam bezeichnet Museumsleiterin Monika Bierschenk als „politisch-ideologischen Eingriff“. Für OB Gramlich und Kulturdezernent Dobberke ist der Streit hingegen beigelegt, im Namen der schon häufig bemühten „Preußisch-Potsdamer Toleranz“. Zufrieden ist jetzt auch Lilli Hengstenberg, Potsdam darf die Bilder jetzt behalten. Zur Ausstellungseröffnung kam sie jedoch nicht, wegen einer „moralischen Absagepflicht“.

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