: Fröhliche Weihnachten mit Henning, Ortwin und Co.
■ taz hamburg proudly presents: Die definitive Jahresendzeitgeschichte der Deutschen Presseagentur
Alle Jahre wieder ... zieht Stille ein in die Redaktionsräume der Hansestadt. Ratlosigkeit. Niedergeschlagenheit. Verbitterung. Was, so fragen sich JournalistInnen aller Tageszeitungen, was sollen wir nur unsern LeserInnen mitteilen. Was Fröhliches soll's ja schon sein. Was Besinnliches. Was Nettes eben. Mit Schnee und so. Ratlosigkeit. Niedergeschlagenheit. Und dann passiert's ... Tickertickertacktickertackticktick. „Hey, kommt schnell her! Die Deutsche Presseagentur sendet! Und was'n schöner Text! Boah ey!“ Weihnachten ist gerettet, flink ein kleiner Vorspann getippt, mit Ratlosigkeit, Niedergeschlagenheit, Verbitterung. Und mit Schnee, logo. Dann nichts wie rein ins Blatt mit der dpa-exclusiv Weihnachtsgeschichte. Und die, liebe Leserin, lieber Leser, fängt so an:
Baumschmücken ist Männersache, Kirchenbesuche werden eher skeptisch gesehen, und traditionelles Liedgut wird mehr mit Inbrunst als mit Textkenntnis geschmettert – beim christlichen Weihnachtsfest unterscheiden sich Hamburgs Spitzenpolitiker kaum vom übrigen Teil der Bevölkerung. Weihnachten – das heißt für viele Erholung vom anstrengenden Politalltag und Beisammensein mit der Familie. Dabei wollen die Politiker mit bärbeißigen Konsumrausch-Kritikern wenig zu tun haben: Alle schenken gerne und lassen sich gerne beschenken.
Los, weiterlesen, kommt noch viel besser!
Der neue Chef der mitregierenden Statt Partei-Fraktion, Achim Reichert, sieht das Fest der Liebe eindeutig als „familiären Höhepunkt“ des Jahres. Eher skeptisch betrachtet der Protestant den Kirchenbesuch an diesen Tagen. „Die Kirchen haben uns doch immer weniger zu sagen, wir sind in den vergangenen Jahren oft frustriert aus dem Gottesdienst gekommen.“ Dafür sitzt der Physiker mit Frau und 21jährigem Sohn lieber unter dem selbstgeschmücktem Baum („das ist Vaters Sache“), und singt aus voller Kehle „Stille Nacht, heilige Nacht.“
Eigenhändig produzierte Musik hat Hamburgs Finanzsenator Ortwin Runde (SPD) an den Festtagen dagegen nicht zu bieten. „Wir greifen auf moderne Technik zurück, und die Jungs sind eh im Stimmbruch.“ Mit den beiden 14 und 17 Jahre alten Söhnen zieht es Runde am Heiligen Abend zur Mitternachtsmette in die Kirche des ostfriesischen Dorfes, in dem er aufwuchs. Der eigene Nachwuchs kann indes sicher auf einen Gabentisch hoffen: „Als eines von neun Kindern hatte ich auch immer große Erwartungen, ich weiß, wie das ist.“
Nicht verzagen, den schon geht's weiter mit ...
Justizsenator Klaus Hardraht, von der Statt Partei nominiert, aber gänzlich parteilos, hält vom Schenken eine ganze Menge, „wenn das nicht nur Anstandsgeschenke sind.“ Von Gefangenenausbrüchen oder knappen Haushaltsmitteln läßt sich der Musikkenner am liebsten durch Bach-CDs oder Bücher über griechische und arabische Kultur ablenken.
Für 1995 wünscht sich Hardraht vor allem „eine hohe Stabilität in der Kooperation mit der SPD“. Dazu äußert sich Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow (SPD) lieber nicht: Er wünscht sich vielmehr, 1995 längst überfällige Probleme im Stadtstaat wie die Zukunft der Hafenstraße zu lösen. (Wie süß, der Thomas!)
Der neue Grünen-Fraktionsvorsitzende Willfried Maier kann mit dem Trällern von Weihnachtsliedern, wiewohl „natürlich damit aufgewachsen“, wenig anfangen. (Hatten wir ja echt auch nicht anders erwartet) „Diese Kassenklingelmusik in den Kaufhäusern hat mir das verleidet.“ Auch der Grüne lehnt indes Familienbande nicht ab (Hörthört): Weihnachten, was mittelhochdeutsch „in den heiligen Nächten“ heißt, verbringt er mit seiner Mutter im Geburtsort Wuppertal.
„Stinkbürgerlich“ hat auch Bürgerschaftspräsidentin Ute Pape (SPD) die Feiertage verplant. „Über die Protestzeiten bin ich inzwischen hinweg.“ Einen Kirchenbesuch lehnt die linke Sozialdemokratin ab, nicht mal um der Stimmung willen. Und das, obwohl sie einst aktives Mitglied eines Kirchenchores war.
Puh: Nur noch einer! Und der hat wie immer nicht viel zu erzählen.
Was Hamburgs Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) allerdings vom Kirchenbesuch und vom Schenken hält, bleibt weiterhin im dunklen: Wie immer wollte sich der Regierungschef zu seinem Privatleben nicht äußern.
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