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Zerzausung streng verboten!

Ein ausgewähltes Sammelsurium grauenhafter und nervtötender Sportarten, mit denen uns das Fernsehen quält / Kapitel I: Die Standardtänze und ihre Folgen  ■ Von Albert Hefele

Ist Turniertanzen Sport? Wenn man den Aufwand an schweißtreibenden Bewegungsabläufen als Maßstab nimmt, mit Sicherheit. Tänzer trainieren hart und ausgiebig. Ist Tanzen vielleicht kein Sport, weil sich die ihn Ausübenden in einfallslosen Grimassen und Gebärden gefallen und dazu geschmacklose Kostümchen tragen? Das kann kein Maßstab sein, denn die Szenerie der Leibesübungen ist reich an Einfalls- und Geschmacklosigkeiten. Was denn nun? Ist Tanzen also doch Sport? Natürlich. Ein ziemlich beliebter sogar. Und ein ziemlich bescheuerter.

Am schlimmsten ist es, wenn sie auf Kommando mit den Schädeln rucken; wie gleichzeitig von einem heftigen Stromstoß herumgerissen. Als hätte jemand laut und dringend nach ihnen gerufen. Dabei ruft keiner, der seine sieben Zwetschgen beisammen hat, nach zwei sich wie aufgezogen übers Parkett schlenzenden Tanzpüppchen. Er in einem affigen Fräcklein und seitlich glänzenden Bahnen an der Hose. Natürlich keine adidas- Ware. Um Gottes willen. Dafür ein weißes Rüschenhemd mit Fliege. Schuhe, die dermaßen blankgewienert sind, daß er sie bei schönem Wetter sicher nicht in der Öffentlichkeit tragen darf. Blendungsgefahr. Sie in großem Fummel! Tiefer Ausschnitt hinten und vorne. Pailetten glitzern mit dem tollen Schmuck um die Wette. Untenrum plustert sich ein flauschiger Boarand. Farben vorzugsweise Süßblau oder Weiß, manchmal Rot. Das bedeutet Leidenschaft.

Wie sie sich mit verhangenem Blick in den starken Arm ihres Ritters schmiegt. Dahinwelkt und neu erblüht. Ständig bemüht, Leidenschaft, gar so etwas wie kaum zu bändigende Sinnlichkeit auszustrahlen. Besinnungslos dem Tanze verfallen. Doch, doch, das spürt man. Wie sie den Busen reckt, ein ums andere Mal, den Hals zum zügellosen Kusse bietet, ihrem die Nüstern blähenden Partner. Loht da nicht Feuer aus dero Riechkolben? Du böser, böser Mann! Ein durchgedrehtes Vögelchen auf stelzenhohen Absätzen, trippelt sie ihm davon, „wie vom Zephyr gewiegt“ (Schiller).

Er, der Ritter, möchte um keinen Preis zurückstehen und gibt sich nicht minder blöde. Da blitzen die Zähnchen, auch für die in den hinteren Reihen gut zu erkennen. Wenn gelacht wird, dann richtig, mit weit offenem Maul. Ansonsten: männlich, trotzig und eine Frisur wie gemeißelt. Kein Härchen rührt sich, auch wenn „der gelehrige Fuß auf des Taktes melodischer Woge hüpft“ (wieder Schiller). Hier führt das gute, alte Haarspray noch ein gestrenges Regiment! Wie auch anders. Ein solches Gezerre und Gezicke, wildgewordenes Gehample und Gestrample müßte unweigerlich zur Zerzausung führen. Das wäre das Ende. Höchstes Gut des Tanzsportlers ist seine untadelige Erscheinung. Eine falsche Falte, ein verrutschter Scheitel, eine verklebte Wimper – Punktabzug! Offenes Hosentürl: letzter Platz. Unter Garantie. Nie darf der Tänzer die Kontrolle verlieren: unter keinen Umständen seine Beine, oder das Oben bzw. Unten der Partnerin verwechseln. Entschlossen muß er sein und doch Optimismus verbreiten. Die nach oben verbogenen Mundwinkel sind Pflicht. Außer wenn es dramatisch wird. Dann beugt die Dame stur den Haarturm und sein, des Herren, dürrer Hals rammt wie hydraulisch aus dem Hemdkragen. Den Picklingen im Publikum stellt es die Nackenhaare. Dieses Feuer! Diese rohe Wut! Mutter nestelt nervös an der Brustschleife und nippt bebend am Schaumwein. Nicht auszuhalten.

Gott sei Dank kann Turniertanzen auch lustig sein. Das Paar schlägt neckische Kapriolen und weiß das Publikum auf seiner Seite. Albern watschelt der Ritter, jagt steppend seine süßlich girrende Kleiderpuppe in die Flucht. Die Zuseher wackeln verzückt und verwundert über solche Originalität mit den verklebten Haarteilen. Ist das nicht schön? Alles ist im Tanze. Die Sehnsucht, das scheue Werben, wüste Leidenschaft... Verweigerung und Erfüllung. Eigentlich das ganze Leben. Wo gibt's das noch heutzutage?

Nach der Darbietung stelzt das Paar vors gestrenge Schiedsgericht. Spielbein, Standbein, eingefrästes Schmunzeln: „Wir gewinnen ja eh.“ Der Ritter, in Schweiß gebadet, tut so, als ob nichts wäre. Nur wenn er denkt, daß keiner guckt, betupft er sich in Windeseile mit dem Tüchlein, dem blütenweißen. Sonst muß er die verbliebene Energie darauf verwenden, daß ihm sein Grinsen nicht aus dem Gesicht fällt. Besonders wenn die Noten nicht so toll ausfallen. Wie da dem Frauchen auf einmal die Wimpern flattern! Jahrelanges, beinhartes Training für die Katz? Macht ja nix! Zügig stöckelt sie hinaus, den jugendlich ihr Nachfedernden im Schlepptau. Immer lächeln, immer winken! Ob sie in der Kabine auch noch so strahlen? Oder sich die Lackschühlein um die Ohren hauen? Das möchte man gern mal genauer wissen...

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