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Werbung mit Sozialspende

In Aachen sammelt ein Verein Geld für Sozialinitiativen und verleiht dafür ein Werbelogo / Steuer- und gewissensmäßig günstiges Angebot  ■ Von Bernd Müllender

Aachen (taz) – Der christlich- abendländische Kalender ist durchaus raffiniert konstruiert. Weihnachtsbedingt ist das Jahresende die Zeit der weiten Herzen und der vielen Geschenke. Gleichzeitig droht der Stichtag für Steuererklärungen. Weitherzige Spenden gelten als probates und gewissenreinigendes Mittel, um noch schnell so manche Mark vor Waigels Unersättlichkeit zu retten. Nur: An wen soll die Kohle gehen?

Ein Problem, das Privatleute und Firmen gleichermaßen umtreibt. Der Betriebsrat der Aachener Philips-Niederlassung entdeckte Anfang Dezember einen Etatposten von immerhin 6.000 Mark, der noch weggespendet werden sollte. Nur eben: An wen? Offenbar kam man intern zu keinem Ergebnis und lud somit die Aachener Straffälligenhilfe und den Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen zu einer Art Spenden-Bewerbungsgespräch. Gleichzeitig übrigens.

„Eine skurrile Konkurrenzsituation“, wie sich die Beteiligten erinnern. 15 Betriebsräte saßen da, machten, sofern männlich, zum Thema Notruf erst mal einige „zotige Sprüche und dumme Bemerkungen“, waren dann aber wohl von der Problematik hinreichend betroffen. Knackis unterstützen fand weniger Anklang, und so fiel das Ergebnis mit einer 70:30-Aufteilung der 6.000 Mark recht ungleichgewichtig aus.

Dabei hätten es sich die Philips- Leute mit ihrer Spendenverteilnot gerade in Aachen einfacher machen können. Seit genau einem Jahr gibt es den Sozialsponsoring e.V., einen Zusammenschluß aus zwölf gemeinnützigen Vereinen. Die Idee stammt aus den USA und ist bislang ein einmaliges Projekt in Deutschland: Geschäftsleute zahlen einen Jahresbeitrag von mindestens 500 Mark an den Trägerverein, und der teilt die Gelder dann intern an die Mitglieder auf. Die Dauersponsoren dürfen dafür imagefördernd nicht nur ihr Briefpapier mit einem auffälligen dreieckigen Logo schmücken, sondern das Symbol auch augenfällig an die Schaufensterscheibe heften. Und sie können außerdem, was steuerlich meist von Vorteil ist, das Geld als Werbungskosten statt nur als Sonderausgaben absetzen.

1994 hat der Sozialsponsoring e. V. von zwei dutzend Spenderfirmen 24.000 Mark eingenommen. Im Schnitt zahlt jede Firma, darunter auch kleine „Szene-Betriebe“, also rund 1.000 Mark. Vorneweg ist die Sparkasse mit 10.000 Mark. Das sind allesamt keine großen Summen, und so klagt der Verein trotz des schönen Anfangserfolgs: „Es sind noch viel zu wenig Sponsoren.“ Und es gibt auch solche – siehe Philips – die trotz ausdrücklichen Angebots einfach nicht wollten: „Einige Firmen und Spender meinen, das passe nicht in ihr Unternehmenskonzept.“ Eine massive Werbekampagne von Lokalzeitung und örtlichem Radiosender soll jetzt Berührungsängste überwinden helfen. Ein Vereinsbeirat, dem Vertreter aller Ratsfraktionen angehören, will ab sofort Klinken putzen und somit Türen öffnen helfen. Was indes nicht ohne Gefahren für die Spendenempfänger ist: Fließen die Gelder erst mal üppig, könnte die Stadt ihre öffentlichen Zuschüsse weiter einschränken. „Davor haben wir schon Angst“, sagt Monika Bulin vom Sponsoring-Ring, „auch wenn wir heute von allen Politikern die feste Zusagen haben, daß nichts gekürzt wird.“ Groß ist mittlerweile die Resonanz aus anderen Städten – von Hochschulen, Ämtern, Hilfsorganisationen und Initiativen aller Art treffen Anfragen in Aachen ein. In einigen Städten, darunter Köln, soll demnächst ein ähnlicher Ring aufgebaut werden. Und Margret Ortstein, grüne Bürgermeisterin, ist guten Glaubens: „Es müßte irgendwann zum guten Ton gehören, Sozialsponsor in Aachen zu sein.“ Vielleicht nicht nur dort. Bestimmt aber könnte, statt Vertreter bedürftiger Vereine als Konkurrenten einzuladen, den Mitarbeitern bei Philips ein Licht aufgehen. Verraten sei, daß Notruf wie Straffälligenhilfe sowieso Mitglieder im Sozialsponsoring e. V. sind.

Kontakt: Martin Czarnojan, Königstr. 1b, 52064 Aachen, Tel. 0241/34343.

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