piwik no script img

Boris Jelzin verteidigt sich

■ Rußlands Präsident kündigt in Fernsehrede ein Ende der Bombardierung von Grosny an

Moskau (taz) – Mit Spannung hatte die russische Bevölkerung den seit Tagen angekündigten Fernsehauftritt Boris Jelzins erwartet. Denn bei diesem wollte der russische Präsident – nach nunmehr zweieinhalb Wochen militärischer Intervention im nordkaukasischen Tschetschenien – zu guter Letzt seine Motive einer gewaltsamen Lösung darlegen. Bei der Sicherheitsratssitzung am Montag war bereits deutlich geworden, daß Jelzin mit dem Verlauf der Aktion und dem Verhalten der verantwortlichen Minister aus den verschiedenen Sicherheitsorganen höchst unzufrieden war. Die Zeitung Sewodnja sah sich im Namen des Anstands außerstande, die aller Wahrscheinlichkeit nach fäkulenten Anwürfe Jelzins zu wiederholen.

Jelzins Rede brachte keine wesentlich neuen Aspekte. Er versicherte, die Stadt Grosny würde nicht weiter von Bombern angegriffen. Wenige Stunden später wurde bekannt, daß die Luftwaffe erneut einen Vorort von Grosny attackiert hat. Nationalitätenminister Jegorow, Geheimdienstchef Stepaschin und Alexander Kwaschnin seien vom Präsidenten ermächtigt worden, mit der tschetschenischen Seite Verhandlungen über Waffenstillstand und Entwaffnung aufzunehmen. Die Bevollmächtigten repräsentieren die Ideologen des bewaffneten Konflikts und dürften daher von Grosny nicht akzeptiert werden. „Kein einziges Gebiet hat das Recht, Rußland zu verlassen“, sagte Jelzin. Die Soldaten vor Ort würden die Landeseinheit verteidigen. Beschwörend wandte er sich an die Einheiten: „Ich bitte Sie, alle Kräfte daran zu setzen, die gestellte Aufgabe zu erfüllen. Ich vertraue darauf, Sie werden es tun.“ Als ein Invasionsgrund wurde die illegitime Herrschaft Präsident Dudajews angeführt. „Die Wahlen haben unter Kriegsbedingungen stattgefunden“ und zudem nur in einigen Bezirken der Republik. Die Hauptaufgabe heute bestehe darin, Leute einzusetzen, denen das tschetschenische Volk vertraut, um ein normales Leben wiederaufzunehmen. Klaus-Helge Donath Seite 8

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen