piwik no script img

Schmutzige Geschäfte und weiße Westen

■ Nordac wehrt sich gegen Vorwürfe, an illegalen Müllschiebereien beteiligt zu sein

„Wir haben eine weiße Weste“, wird Wilfried Will, leitender Mitarbeiter des Norddeutschen Altlastensanierungszentrums (Nordac) nicht müde zu betonen. Gleich in vier Fällen ist das Unternehmen, das in Veddel eine Bodenwaschanlage betreibt, in dubiose Müllschiebereien verstrickt. Während die Staatsanwaltschaft gegen verschiedene Nordac-Mitarbeiter wegen unerlaubter Abfallbeseitigung ermittelt, kiloweise Aktenmaterial des Unternehmens beschlagnahmt wurde, wäscht die Firmenleitung ihre Hände in Unschuld.

Fall Nummer 1: Im Mai 1993 läßt die Nordac von der mecklenburgischen Firma „Mutag“ knapp 600 Tonnen Reststoffe aus der Aufarbeitung verseuchter Böden, sogenannte Sedimentfilterkuchen, abtransportieren. Doch die Fracht wandert nicht, wie vereinbart, auf ein zwanzig Kilometer von Schwerin entferntes Zwischenlager in Crivitz. Sie taucht statt dessen auf dem Gelände der Ziegelei Muggerkuhl (Mecklenburg) auf, wird dort erst ohne Genehmigung gelagert, um dann teilweise - ebenfalls ohne Erlaubnis - bei der Ziegelproduktion verarbeitet zu werden.

Nordac-Mitarbeiter Will: „Die Mutag hat dort ohne unser Wissen gehandelt. Als wir von der Sache Wind bekamen, haben wir den sofortigen Rücktransport des Sedi–mentfilterkuchen angeordnet.“

Fall Nummer 2: Trotz der schlechten Erfahrungen mit der Mutag arbeitet die Nordac bereits ein Jahr später wieder mit dem dubiosen Entsorgungsunternehmen zusammen. Im August 1993 werden vorgereinigte Anteile des Hamburger Straßenkehrichts, die sogenannte Leichtstofffraktion, auf den Weg nach Holthusen bei Schwerin und nach Crivitz geschickt - kommen aber teilweise erneut in Muggerkuhl an.

Daß auch die vorgesehene Ablagerungsfläche in Holthusen gar nicht behördlich zugelassen war, soll die Mutag verschleiert haben. Will: „Wir bekamen nur eine baurechtliche Genehmigung zu sehen, haben dann sofort bei der Mutag eine umweltrechtliche Genehmigung eingefordert.“ Als diese nicht kam, und weitere Unregelmäßigkeiten bei der Entsorgung auftauchten, stoppte die Nordac ihre Lieferungen.

Bei beiden Abfall-Frachten wurde der Schadstoffgehalt vor Abtransport von dem auf dem Nordac-Firmengelände beheimateten Institut für analytische Dienste (ADN) geprüft. Ergebnis: Nur minimale Belastungen. Andere Analyse-Institute, die später die in Mecklenburg abgelagerten Nordac-Müllfrachten untersuchten, fanden aber stets hohe Konzentrationen an Schwermetallen und anderen Giften. Von Manipulationen in seinem Haus will ADN-Geschäftsführer Jörg Freytag trotzdem nichts hören: „Uns liegen Erkenntnisse vor, daß die Lieferungen mit schadstoffbelasteten Materialien vermischt wurden, bevor erneut gemessen wurde.“

Während die Staatsanwälte wegen der Muggerkuhler Müllgeschäfte noch tatkräftig ermitteln, sind sie in einem anderen Fall schon weiter. Bereits im Februar erhob die Hamburger Staatsanwaltschaft Anklage wegen „unbefugter Müllablagerung“ gegen Nordac–Geschäftsführer Franz Lorenz und einen weiteren Firmen-Mitarbeiter.

Über 1000 Tonnen schwermetallbelasteter Boden aus dem Hause Nordac wurden – als Wirtschaftsgut getarnt – von einer hessischen Firma illegal abgelagert. Die angeklagten Nordac-Mitarbeiter haben es nach Darstellung der Staatsanwaltschaft dabei „billigend in Kauf genommen, daß ihre Rückstände nicht verwertet, sondern gesetzeswidrig entsorgt“ wurden.

Daneben ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft noch in einem vierten Fall gegen die Hamburger Bodenbehandler, bei dem es um die Aufbereitung und Entsorgung von kontaminierter Spielplatzerde geht. Erst am Ende all dieser Verfahren wird man wissen, wie weiß die Nordac-Westen wirklich sind. Marco Carini

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen