„Pyros“ und China-Schinken

■ Silvestermoden in SO 36: Raketen sind kaum gefragt / Gekauft wird, was kracht

China-Schinken sind zum diesjährigen Silvesterfest der Renner, zumindest in Kreuzberg 36, einer Hochburg der Knallerei. Ein „Schinken“ besteht aus 320 Chinakrachern und ist schon für unter zehn Mark zu haben. „Im Großhandel sind die Kracher schon ausverkauft“, berichtet Firat, der in seinem Zeitungsladen in der Oranienstraße mehrere Regale für Feuerwerkskörper leergeräumt hat. Raketen allerdings sind wenig gefragt. Insgesamt laufe das Geschäft besser als im letzten Jahr. „Die Leute kaufen viel zuviel“, ist Firats persönliche Meinung. 30 bis 70 Mark legen die meisten KundInnen für die Knallerei an. Nicht zum Verkauf stehen drei Tonnen Feuerwerkskörper aus einigen Geschäften: Sie wurden bis Freitag mittag von der Polizei beschlagnahmt. „Überschreitung der höchstzulässigen Lagermenge“, lautete in den meisten Fällen die Begründung. Sechs HändlerInnen wurden beim Verkauf von Feuerwerk an Minderjährige erwischt.

Wer Feuerwerkskörper kaufen will, muß mindestens 18 Jahre alt sein. Dabei ist das Wettrüsten mit pyrotechnischem Material vor allem bei Minderjährigen angesagt. 300 Mark, 2.000 Mark wollen die Kids, die Eltern oder Geschwister in den Laden schicken, für Feuerwerk ausgegeben haben, wenn man ihren Prahlereien Glauben schenkt. Der 21jährige Marc ist allerdings darüber hinaus: „So bis 16 macht das Spaß, irgendwann wird es dann langweilig, und man denkt dann auch anders übers Geld.“

Einfache Silvesterknaller sind vielen Kids nicht verwegen genug. „Pyros“ hätten bei ihnen in der Klasse alle, die Mädchen und die Jungen, erzählen zwei Zehnjährige. Pyros, damit sind Gaspistolen mit pyrotechnischer Munition gemeint – Leuchtkugeln, Heuleraufsätze und Böller. Wer älter als 18 ist, darf solche Waffen inklusive Munition besitzen. Abgefeuert werden dürfen Schreckschußpistolen hingegen nicht, so Polizeisprecher Klaus Schubert, was vielen Menschen jedoch überhaupt nicht bekannt sei. Bisher sei die Verwendung von pyrotechnischer Munition an Silvester geduldet worden, in diesem Jahr drohe die Polizei mit Anzeigen. Und so gibt man sich auf Kreuzberger Straßen vorsichtig: „Wir haben keine Waffen, wir sind sauber“, versichert ein Zwölfjähriger.

1.575 Feuerwehrleute werden in der Silvesternacht für die Sicherheit der BerlinerInnen sorgen, mehr als doppelt so viele wie gewöhnlich. Mit weniger Einsätzen und Verletzten als im letzten Jahr rechnet man bei der Feuerwehr nicht: 1.700 mal mußte sie ausrücken, und ungefähr 300 Personen wurden verletzt. Empfehlung der Feuerwehr: Vor dem Anbrennen der Raketen und Knaller die Bedienungsanleitung lesen. Doris Maassen