■ Mit der gelben Post auf du und du: Neuer Zentralismus
Berlin (taz) – Ein Brief von Hallig Langeneß nach Rheith im Winkel wird zehnmal in einen anderen Sack sortiert. Nur 24 Prozent der Sendungen können bisher von Maschinen bearbeitet werden, so daß heute noch 340.000 Leute mit der Annahme, dem Transport und der Auslieferung von Briefen und Postpaketen beschäftigt sind.
Das soll künftig anders werden: Mit 83 hochautomatisierten Brief- und 33 Frachtzentren will die gelbe Post schneller und rationeller werden. Die Sendungen werden künftig direkt vom Briefkasten in eine dieser riesigen Sortierfabriken am Rande großer Städte gebracht, dort von Maschinen nach den ersten beiden Ziffern der Postleitzahl sortiert und an das dem Empfänger nächstgelegene Frachtzentrum geliefert. Statt bisher 150.000 Fahrten sind dann nur noch etwa 50.000 nötig, um die 54 Millionen Briefe am Tag zu transportieren. „Das ist ökologisch gesehen ein riesiger Vorteil“, sagt Postsprecher Martin Dopychay und versucht so die Kritik von Umweltschützern zu kontern, die gegen den Bau der gigantischen Anlagen auf der grünen Wiese protestieren. Nur noch 15 Prozent der Arbeit muß künftig von menschlichen Händen erledigt werden. Deshalb plant die Post, in den nächsten Jahren noch einmal 35.000 Stellen abzubauen.
Nachdem die gelbe Post bisher immer riesige Verluste erwirtschaftet hatte, hofft sie schon bei der Abschlußbilanz von 1994 auf schwarze Zahlen und will 1998 sogar an die Börse gehen. Rund zehn Milliarden Mark hat sie in den letzten vier Jahren seit der Trennung von ihren Schwestern Telekom und Postbank in der Postreform I investiert. Ende dieses Jahres übernimmt noch einmal – zum letzten Mal – die Telekom die aufgelaufenen Defizite von 6,1 Milliarden Mark. So kann die gelbe Post schuldenfrei in ihre Zukunft als AG gehen. Auch die Abgaben an Finanzminister Theo Waigel, die bisher zehn Prozent des Umsatzes betrugen, fallen ab 1996 ganz weg. Wie jedes normale Unternehmen auch muß die Post dann ihre Gewinne versteuern.
Seit gestern haben zehn Postkonkurrenten eine Lizenz zum Transport von Infopost über 250 Gramm. „Wir haben gute Gegenkonzepte“, ist sich Dopychay sicher. Mit Preisnachlässen und gutem Service will die Post der Konkurrenz Paroli bieten. Annette Jensen
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