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Halsbonbons für den Sprecher

■ RB feiert: 2x10 Jahre "Zett Beh" und "Journal am Morgen"

Eine Apothekerin schickte eine Kiste voller Kräuterbonbons. Gerold Janssen brachte Blumen. Glückwünsche wurden gefaxt. Wein wurde überbracht, Karten geschrieben und Sekt getrunken: Tage des Jubels beim Bremischen Rundfünkchen. Zehn Jahre Zettbeh. Zehn Jahre Journal am Morgen auf Radio Bremen 2. Die Tage sind gezählt. Gottlob nur die, die vergangen sind.

Das wichtigste in einem großen Garten sind die kleinen Beete. Die mit den Kräutern. Mögen auch im großen Garten Radio Bremen die Säcke mit nahrhaften Kartoffeln zentnerweise gefüllt werden: Der Gourmet schätzt das Sträußchen Estragon, Dill und Minze höher ein. Zettbeh am Samstagmorgen und das Journal am Werktagsmorgen: Die kleinen Beete.

Zehn Jahre. So alt wird kein Schwein. Und wenn, dann muß das seine Gründe haben. Zehn Jahre sind auch für Rundfsendungen, die angeblich kaum jemand hört, eine lange Zeit. Wenn es sie so lange gibt, dann muß das seine Gründe haben. Und sei es nur die, daß es im öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Alternative geben muß zu den muffigen Rieselfeldern der Radio-Landschaft. Der Kontrast: Klare Höhenluft.

Zettbeh jubilierte am Silvestermorgen: Bernhard Gleim ließ von Gratulanten sowohl Kränze flechten als auch Asche aufs Haupt streuen. Eine Dame aus Wilhelmshaven wünschte sich mehr Berichte aus Wilhelmshaven. Der pädagogische Duktus wurde getadelt, über die Musik gestritten und mit beflissener Kurzweiligkeit geschwatzt. Die drei Stunden gingen dahin, wohin die Zeit immer geht: Ins Land, und viel zu schnell. Zettbeh ist einfach zu kurz. Und erst recht, wenn auch noch jubiliert werden soll.

Das Journal am Morgen ist auch viel zu kurz. Deshalb fängt es bald eine Stunde früher an. Um sechs. Die Jubelsendung gestern beschränkte sich auf ein eher bescheidenes Schulterklopfen und auf die Noblesse des Understatements. Ein Mitbegründer des Journals berichtete von Input und Output, von Akzeptanz, vom Rezipienten und von einer Massensendung. Der Mitbegründer gehört zu denen, die schnell und gerne mit Hörerzahlen jonglieren und so Radio Bremen zu dem gemacht haben, was es heute ist. Beim Jubiläum sprach er nicht von den Hörerzahlen. Selbst wenn es nur die seinerzeit vom Intendanten ins Feld geführten fünf Zuhörer – drei davon an der Uni Oldenburg – wären. Inzwischen ist es das sichere Qualitätsmerkmal einer Sendung, wenn sie nicht von einem Millionenpublikum verschlungen wird.

Immer noch, so sei in dem Zusammenhang erinnert, steht die Moderation eines Journals von Thomas Gottschalk aus. Das hatte der vor Jahr und Tag dem ehemaligen Chef der Sendung, Jörg Dieter Kogel, fest zugesagt. Mit Dieter Thomas Heck, Karl Moik und Gotthilf Fischer wurden, so war sicher zu erfahren, ähnliche Verabredungen nicht getroffen.Einen Diamanten, so ein französisches Sprichwort, braucht man nicht zu preisen. Es wäre also unziemlich, sich beim Jubiläum von Zettbeh und Journal am Morgen heiser zu loben. Es genügt, hoffen zu können, daß keiner der Rundfunk-Gewaltigen ,mit dem großen Pflug durch die kleinen Beete rollt und auch nicht hier noch das Alltagsgemüse angebaut wird: Dicke Kartoffeln. Säckeweise.

Lutz Wetzel

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