piwik no script img

■ Mann des Jahres: Axel NawrockiEiskalter Glücksritter

Gäbe es den jährlichen Glücksritter-Oscar, Axel Nawrocki, der Terminator der Berliner Olympiabewerbung, hätte ihn schon 1995 verdient. Über ein Jahr nach dem Desaster von Monaco gerät dem gebürtigen Aachener Reißwolf noch immer alles zu Gold, was er aus längst vergangenen Olympiatagen anfaßt: Hier fünfzig Riesen aus der Konkursmasse, dort ein Sack Geld für die Liquidation. Alte Geschichten von überquellenden Honorartöpfen und schwarzen Kassen steckt er ebenso weg wie offene Rechnungen, merkwürdige Freiflüge, Mietrückstände oder gar ungesetzlich geplünderte Haushaltspläne. Und, jede Wette, Axel Nawrocki übersteht den möglichen Untersuchungsausschuß wie weiland Muhammad Ali den Fight gegen Karl Mildenberger; ohne ersichtliche Kratzer und niemals kaltgestellt. Es gibt ausgeflippte Stimmen, die hinter dem Mann mit der goldenen Nase einen wahnsinnigen Bankrotteur vermuten, der mit krimineller Energie die öffentlichen Kassen leer räumt. Das ist totaler Quatsch, hat doch der umtriebige Olympia- Chef so Ungewöhnliches geleistet, daß jedes Schwein das Pfeifen einstellt. Sicher, die Olympiabewerbung wurde in den Sand gesetzt, und Schulden sind geblieben. Aber Nawrocki hat dem hauptstadtbesoffenen Berlin und seinem versteinerten politischen Establishment den Spiegel vorgehalten: Heraus blickte ein Gesicht, das zusehen mußte, wie er's treibt und den Kopf nicht aus der Schlinge bekommt. Den Berliner Sumpf aus Ämterwirtschaft, Postenhuberei und der Eine-Hand-wäscht-die-andere-Mentalität legte er mit Schwejkscher Hinterfotzigkeit aufs Kreuz. Bauernschlau entlarvte er die herbeiposaunte Rechtschaffenheit als das, was sie in der politischen Wirklichkeit längst war: nämlich eine Worthülse. Nawrocki blieb immer amoralisch, eiskalt, ein Glücksritter eben, der nur an sich selbst denkt. Abgebrüht serviert nun der Diener seinen Herren die ungedeckten Schecks für die teuren Illusionen mit einem listigen, ja weisen Lächeln. Denn lassen diese ihn fallen, stürzen sie mit. Rolf Lautenschläger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen