: Entartete Zellen? O Gott!
■ Wie schlimm ist 'PAP 3 D'? Abstrich zur Krebs-Früherkennung löst bei Frauen oft Panik aus
Der Anruf des Frauenarztes wirft Ulrike W. aus der Bahn: „Es sind bei Ihrem Abstrich veränderte Zellen gefunden worden, Stufe PAP 3 D. Kommen Sie doch in zwei Monaten nochmal zur Untersuchung.“ Mehr sagt er nicht. Ulrike W. sinkt in sich zusammen: O Gott, Krebs! Was wird aus dem kleinen Sohn, wenn sie stirbt? Sie ruft sofort Freundinnen an. Die beruhigen: Kenn' ich, hatte ich auch schon mal, muß nicht Krebs sein. Doch Ulrike W. durchlebt zwei schlimme Monate: Wenn sie mit dem Sohn schwimmen geht oder mit FreundInnen wandern, denkt sie nur: Wie oft noch? Endlich die Kontrolluntersuchung: PAP 2, kein Krebsverdacht. Ulrike W. sieht entgeistert ihren Arzt an.
„Die Ärzte informieren häufig viel zu wenig und sind sich vor allem nicht bewußt, welche Krebsangst sie mit dem Wort ,veränderte Zellen' auslösen können“, sagt Barbara Krekeler, Heilpraktikerin und Mitarbeiterin beim Bremer Frauengesundheitszentrum. In ihre Beratungsstunden kommen reihenweise Frauen, die mit dem Befund nach der „Krebsvorsorge-Untersuchung“ nicht klarkommen. Krankenkassen und ÄrztInnen empfehlen diese Untersuchung jährlich. Dabei tasten die ÄrztInnen die Brust nach Knötchen ab und machen einen Abstrich am Gebärmuttermund, am Gebärmutterhals und an der Vaginalschleimhaut. Das ist ein PAP-Abstrich, so genannt nach seinem Erfinder, dem griechischen Arzt George Papanicolaou. Labors untersuchen die Proben dann auf fehlgebildete Zellen.
Problematisch am PAP-Test und seiner Auswertung: Die Übergänge sind fließend zwischen den verschiedenen Stufen von Zellveränderung von PAP 1 (alle Zellen unauffällig) über PAP 3 D (leichte bis mittlere Zellfehlbildung) bis PAP 5 (eindeutig Krebszellen). So kommt es, daß ein Labor eine Probe als Stufe PAP 2 einschätzt, ein anderes dieselbe Probe auf PAP 3 taxiert. Ähnlich unterschiedlich bewerten ÄrztInnen die Ergebnisse. Manche sind übervorsichtig und raten schon bei PAP 3 D zu einer Operation, andere wollen lieber erst noch mal abwarten oder halten eine Operation erst ab PAP 4 A für angebracht.
Von solchen Unterschieden weiß die Patientin aber nichts, sie hört nur: Krebsverdacht. Was heißt „Verdacht“? Muß sie sich Sorgen machen? Soll sie erstmal abwarten? Soll sie gar in eine Operation einwilligen? Die Frauen, die das Frauengesundheitszentrum aufsuchen, erfahren erstmal Erleichterndes: Veränderte Zellen (wie beim Befund PAP 3 D) müssen längst nicht Vorstufen von Krebszellen sein, sondern rühren meist von Entzündungen im Gebärmutterbereich her. Entzündungen vergehen wieder. Nach zwei oder drei Monaten zeigt ein erneuter Abstrich meist ein ganz anderes Bild.
Daß die veränderten Zellen verschwinden, dazu kann die Frau auch selbst einiges tun. „Erholung! Genügend Schlaf! Überbelastungen ausschalten“, rät die Heilpraktikerin Krekeler für die Zeit zwischen den beiden Abstrichen. Denn häufig zeigt sich der Befund PAP 3 D gerade bei Frauen, die im Examen oder in einer anderen Streßphase stecken. Eine Patientin habe es sogar mal geschafft, mit Psychotherapie, Nicht-mehr-Rauchen, Meditation und speziellem Yoga für den Unterleib vom sehr kritischen PAP 4 A innerhalb eines Jahres auf PAP 1 zu kommen. Trotz solcher Erfolge gebe es noch immer ÄrztInnen, die behaupteten, daß man das PAP-Ergebnis durch nichts beeinflussen könne außer durch's Skalpell.
Ab einer bestimmten Stufe allerdings, nämlich PAP 4 A, wenn auch die Grundschicht der Zellen verändert ist, rät auch das Frauengesundheitszentrum eher zur Konisation. Das ist eine Operation unter Vollnarkose, bei der ein kegelförmiges Stück aus dem Muttermund geschnitten wird. Damit soll ein möglicher Krebszellenherd entfernt und gleichzeitig Gewebe zur genaueren Analyse gewonnen werden. Eine Woche Krankenhaus und ein paar Wochen Schonung zieht der Eingriff nach sich. Und das Risiko, Fehlgeburten zu erleiden, wird durch die Konisation oft erhöht, da der Muttermundmuskel nicht mehr so fest schließt.
Bei den meisten Frauen kommt es gar nicht soweit, ihre Werte normalisieren sich wieder - manchmal allerdings erst nach Jahren. Schürt der Abstrich also nicht mehr Ängste als daß er Frauen wirklich vor Gebärmutterhalbskrebs rettet, fragen Medizinkritikerinnen. Die Sozialwissenschaftlerin Eva Schindele wartet in ihrem Buch „Pfusch an der Frau“ mit dieser bedenkenswerten Zahl auf: Um bei einer einzigen Frau frühzeitig einen Gebärmutterhalskrebs zu entdecken, müßten bei 40.000 Frauen Abstriche gemacht werden, das habe eine britische Untersuchung ergeben. Diese „Vorsorge“ genannte Untersuchung ist nämlich beileibe keine Vorsorge im Sinne von Krebsverhinderung, sondern dient einzig der Früherkennung.
Hingehen oder nicht, fragt sich also so manche. Entscheidungshilfe können dabei die persönlichen Krebsrisiken sein: Wer mit Pille oder Spirale verhütet, hat ein höheres Risiko, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken, als Frauen, deren Partner mit Kondom verhüten. Gar keine Gedanken über den PAP-Abstrich müssen sich deshalb übrigens Nonnen und jüdische Frauen machen: Bei diesen Gruppen tritt, so Krekeler, nur sehr selten Gebärmutterhalskrebs auf. Man vermutet, daß das Sekret (Smegma) unter der Vorhaut des Mannes krebsfördernd wirken könnte.
Eine Broschüre zum Thema „PAP-Abstrich“ gibt es für sieben Mark beim Frauengesundheitszentrum, Elsfletherstraße 29, 28219 Bremen. Eine Beratung kostet 40 Mark. Tel.380 97 47. Mo, Di, Mi, Fr 10 - 13 Uhr, Do 16 - 19 Uhr. cis
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