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51 verdächtige Ausländerfeinde

■ Magdeburger Krawalle beschäftigen die Behörden bis weit ins neue Jahr

Magdeburg (taz) – Die Bilder von den ausländerfeindlichen Ausschreitungen gingen rund um die Welt. Nach dem Himmelfahrtstag 1994 wurde Magdeburg in einem Atemzug mit Hoyerswerda, Rostock, Mölln und Solingen genannt. Staatanwaltschaft und Gerichte werden bis weit ins neue Jahr hinein mit der strafrechtlichen Aufarbeitung der Ausschreitungen beschäftigt sein. Allein für die ausländerfeindliche Hetzjagd durch die Magdeburger Innenstadt und den Überfall auf die von Türken betriebene Marietta-Bar, mit dem die mehrstündigen Krawalle begann, hat die Staatsanwaltschaft 51 Verdächtige ermittelt. „Inzwischen sind in drei Prozessen acht Beteiligte zu Haft- und Jugendstrafen verurteilt worden“, zieht der Chef der Magdeburger Staatsanwaltschaft, Rudolf Jaspers, Bilanz. Aber auch mit denen werden sich die Gerichte möglicherweise noch einmal beschäftigen müssen. Denn sechs der acht Verurteilten haben gegen die Richtersprüche Revision eingelegt. Über diese Anträge, so Jaspers, sei noch nicht entschieden.

Gegen sechs weitere Tatverdächtige will die Staatsanwaltschaft in nächster Zeit Anklage erheben. „In anderen Verfahren sind wir noch nicht soweit“, räumt Jaspers ein. Dennoch glaubt er, daß seine Ermittler auch diese Verdächtigen noch vor den Kadi bringen können. „In den Prozessen kommen ja immer Dinge zutage, die auch für uns neu sind und die uns in anderen Ermittlungsverfahren weiterhelfen.“ Insgesamt sieben Verfahren hat die Staatsanwaltschaft eingestellt, nachdem die Hooligans Auflagen erfüllt haben. „Die mußten gemeinnützige Arbeit in einem Asylbewerberheim leisten“, erklärt der leitende Oberstaatsanwalt. So kamen die Kinder des Heims zu einem Spielplatz und die Hooligans zu verordnetem gewaltfreiem Kontakt zu Ausländern.

Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft nach zahlreichen Vorwürfen von Augenzeugen auch die Polizei unter die Lupe genommen. Mehreren Polizisten war vorgeworfen worden, offene Sympathie und sogar Unterstützung für die gewalttätigen Hooligans gezeigt zu haben. „Aufgrund derartiger Anzeigen“, sagt Jaspers, „haben wir 15 Ermittlungsverfahren eingeleitet, aber nur sieben Beamte namentlich ermitteln können.“ Nur in einem einzigen Fall reichte es zur Anklage. Ein Beamter, der vom Dienst suspendiert wurde, wartet auf seinen Prozeß. Er soll einen Ausländer mehrfach mißhandelt haben.

Gegen einen anderen Beamten, dem vorgeworfen wurde, einen Ausländer auch dann noch mit auf den Rücken gedrehten Händen am Boden gehalten zu haben, als Hooligans auf ihn eintraten, ist das Verfahren eingestellt worden. „Bei den Ermittlungen stellte sich die Sache ein bißchen anders dar“, erklärt der Oberstaatsanwalt. „Der Beamte hatte den mit einem Messer bewaffneten Mann tatsächlich festgehalten, dabei sind beide zu Boden gegangen.“ Dann aber hätten gewalttätige Hooligans auf beide eingetreten. „Auch der Polizist bekam erhebliche Tritte ab, so daß er den Ausländer loslassen mußte, der dann flüchten konnte.“

In einem der bisherigen Himmelfahrtsprozesse hatte ein Tunesier als Zeuge schwere Vorwürfe gegen eine Polizistin erhoben. Als diese ihn zur Wache brachte, soll sie gesagt haben, daß für Leute wie ihn Vergasen noch zu wenig sei. „Auch dieses Verfahren mußten wir einstellen“, sagt Jaspers. „Die beschuldigte Beamtin bestreitet die Vorwürfe, so daß Aussage gegen Aussage steht.“ Auch in anderen Fällen seien die Ermittlungen gegen Polizeibeamte eingestellt worden, weil sich die Vorwürfe entweder nicht erhärten ließen oder sich als falsch herausstellten.

Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen seien der Polizeiführung und der am Himmelfahrtstag diensthabenden Einsatzleitung keine schwerwiegenden Fehler oder Versäumnisse anzukreiden, erklärt der Chef der Anklagebehörde. „Allerdings hätte die Einsatzleitung uns früher informieren sollen.“

Ein Staatsanwalt, der im Rundfunk von den Ausschreitungen gehört hatte, hatte bei der Einsatzleitung angerufen und seine Hilfe angeboten. Das sei nicht nötig, erfuhr der Mann, man habe alles im Griff. Nicht gesagt wurde dem Staatsanwalt, daß die Polizei bereits damit begonnen hatte, vorläufig festgenommene Hooligans wieder auf freien Fuß zu setzen.

„Möglicherweise hat man auch die Hinweise des Verfassungsschutzes auf bevorstehende Ausschreitungen zu leicht genommen“, spekuliert Jaspers, ansonsten könne er keine eklatanten Fehler erkennen. Der Polizeipräsident von Magdeburg, Antonius Stockmann, hatte nach dem Regierungswechsel in Sachsen-Anhalt seinen Hut nehmen müssen. Er hatte sich trotz der Hinweise des Verfassungsschutzes ins verlängerte Wochenende verabschiedet und die Ausschreitungen später als Vatertagsrangelei verharmlost, die „durch das unglückselige Zusammenwirken von Alkohol und Sonnenschein eskaliert“ sei. Eberhard Löblich

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