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Monopoltarife vor dem Abschuß

Viag-Konzern und British Telecom einigten sich über Partnerschaft / Zusammen wollen sie das Monopol der Deutschen Telekom knacken  ■ Von Ralf Sotscheck

Die Partnersuche ist beendet: Gestern gaben der Viag-Konzern und die British Telecom (BT) bekannt, daß sie sich „grundsätzlich über eine Partnerschaft“ geeinigt haben. Ziel der beiden Konzerne ist es, den deutschen Telefonmarkt zu erobern, der 1998 liberalisiert wird. Der bisherige Monopolist Deutsche Telekom muß sich nun auf harte Konkurrenz einstellen. Denn British Telecom war vor zehn Jahren das erste Staatsunternehmen in Großbritannien, das privatisiert wurde. Und BT hat erstaunlich schnell gelernt, wie man private Konkurrenz klein hält.

Mit der Kommunikationsfirma Mercury bekam British Telecom damals einen Konkurrenten vor die Nase gesetzt, der „den Elefanten tanzen lehren“ sollte, wie der britische Unterhausabgeordnete Keith Joseph es ausdrückte. Der Dickhäuter BT reagierte, wie erwartet, mit dem Abbau von Jobs: Arbeiteten 1984 noch 241.000 Menschen bei British Telecom, so sind es heute nur noch 152.000. Bis Ende des Jahrhunderts soll die Zahl auf 100.000 sinken.

Darüber hinaus gelang es BT stets, den Konkurrenten Mercury auszubremsen. Die Aufsichtsbehörde Oftel, die einen fairen Wettbewerb garantieren soll, schrieb British Telecom lediglich vor, jedes Jahr die Gebühren um rund fünf Prozent zu senken. Da aber sonst keine Vorgaben gemacht wurden, setzte BT jedesmal die Gebühren in genau dem Bereich herunter, auf den Mercury ein Auge geworfen hatte: Discounts für Geschäftsanschlüsse, verbilligte Nachttarife und so weiter.

Außerdem ist der Konkurrent Mercury bei Ortsgesprächen auf das Fernsprechnetz von Telecom angewiesen, weil man zwar neue Leitungen zwischen den großen Städten legte, aber aus Kostengründen keine alternativen Ortsnetze errichten konnte. British Telecom läßt sich die Mitbenutzung teuer bezahlen. Deshalb kann Mercury auf diesem Gebiet nicht billiger als BT arbeiten. Zum Schaden kommt der Spott: In ihren Firmenrundbriefen hat BT eine höhnische Rubrik eingerichtet, in der entnervte Mercury-Kunden zu Wort kommen.

Mercury mußte in diesem Jahr trotz eines Kundenzuwachses von 50 Prozent auf 2,1 Millionen eine Profiteinbuße von drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr hinnehmen. Zwar waren das immer noch 96 Millionen Pfund, doch bei Mercury klingelten die Alarmglocken. Das Unternehmen wird im kommenden Jahr 2.500 Stellen streichen. Und Mercury wird sämtliche öffentlichen Telefonzellen abbauen und verschrotten. Denn die 2.700 blauen Häuschen, die vor allem in London und anderen Großstädten aufgestellt wurden, erwiesen sich als Schnapsidee: Zum einen sind sie mit den Telefonzellen der BT nicht kompatibel, zum anderen nehmen sie keine Münzen an. Mercury konnte bis heute jedenfalls nur einen Marktanteil von neun Prozent erobern und gibt den Versuch auf.

Doch British Telecom will sich nicht mit dem heimischen Markt und den Erfolgen gegenüber Mercury begnügen. Mit Konzernen in Spanien, Norwegen, Finnland und Dänemark wurde bereits eine Zusammenarbeit vereinbart; nun folgte also der deutsche Viag-Konzern. Dieser neue Partner ist für die Briten aus mehreren Gründen interessant: Die Viag besitzt politischen Einfluß in Bonn, zitiert das Wall Street Journal einen Insider. Es komme bei den anstehenden Entscheidungen darauf an, vorne dabei zu sein, wenn der deutsche Markt liberalisiert wird. Und dafür sei die Viag der geeignete Partner. Außerdem besitzt Viag ein 4.000 Kilometer langes Glasfasernetz – das längste der Bundesrepublik. Bisher wurde dieses Netz nur konzernintern genutzt, vor allem vom Energieversorger Bayernwerk, der der Viag gehört. Demnächst jedoch soll das leistungsfähige Glasfasernetz für Großkunden geöffnet werden: Bereits ab April 1995 sollen einzelne Firmen über das Netz der Viag Daten übertragen können.

Möglich wäre sogar, in diesem Glasfasernetz auch normale Telefongespräche zu übertragen – was bisher wegen des Monopols der Bundespost noch nicht erlaubt ist. Doch spätestens 1998 fällt dieses Monopol; Bundespostminister Bötsch (CSU) überlegt sogar, in diesem Bereich früher Konkurrenz zuzulassen. In diesem Fall hätten die Partner Viag und British Telecom einen großen Vorsprung vor der Konkurrenz, die solche Netze erst aufbauen muß.

Daß die Verbraucher ein solches Angebot nutzen, zeigt ebenfalls das Beispiel Großbritannien. Seit der Liberalisierung gibt es dort Firmen, die gleichzeitig Fernsehen und Telefon via Glasfaserkabel anbieten. Und das Geschäft geht erstaunlich gut: Schon heute hat eine halbe Million britischer Haushalte die Kombination Telefon/Kabel-TV. Und in zehn Jahren, so schätzen Experten, werden es sieben Prozent aller Haushalte sein, gelockt von Angeboten wie „Dial-a-film“: Videofilme auf Abruf per Telefonleitung. Im Jahr 2002 darf die British Telecom auch in das TV-Geschäft einsteigen und dürfte mit dem Glasfaser-Know- how ebenfalls eine gute Position haben. Langfristig hat British Telecom denn auch wenig zu befürchten. Untersuchungen haben ergeben, daß der Marktanteil von BT im Bereich Telekommunikation im nächsten Jahrzehnt nicht unter sechzig Prozent sinken wird.

Aus der Sicht der Viag ist der Deal mit British Telecom ein weiterer Schritt beim völligen Umbau des Konzerns, der erst 1988 privatisiert wurde. Im vergangenen Herbst hatte die Viag das Bayernwerk gekauft; in der letzten Woche kam – wieder überraschend – die Nachricht, daß sich Viag vom Papierhersteller PWA trennt. Durch die Zusammenarbeit mit British Telecom will die Viag nun den Bereich Telekommunikation zu einem der zentralen Geschäftsfelder machen und mehrere Milliarden Mark investieren, wie der Viag- Chef erklärte.

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