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Geldentsorger gesucht

Der Drogerie-Boß Schlecker kümmert sich nicht um Tariflöhne und die Sicherheit seiner Filialen – und macht damit sechs Milliarden Umsatz  ■ Von Klaus Wittmann

Ehingen/Mannheim – Anton Schlecker, gelernter Metzger aus Ehingen bei Ulm, hat es geschafft. Vor 20 Jahren hat er seinen ersten Drogeriemarkt eröffnet. Heute macht er mit seinen 5.800 Filialen in Deutschland, Österreich, Frankreich, Holland und Spanien fast sechs Milliarden Mark Umsatz. Auf der Hitliste der Top 50 der Einzelhandelsketten rangiert er noch vor Rewe und Horten, vor Spar und Norma auf Platz 11. Doch Schleckers Erfolgsstory hat auch ihren Preis. Und den bezahlen hauptsächlich die 24.800 MitarbeiterInnen: Wegen untertariflicher Löhne, Verhinderung von Betriebsratswahlen, wegen mangelnder Sicherheitsvorkehrungen in den Schlecker-Filialen und schikanösen Umgangs mit seinen Beschäftigten ist der Drogerie-König aus der schwäbischen Kleinstadt ins Gerede gekommen. Seit November ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen Schlecker wegen des Verdachts, Aushilfsarbeitsverhältnisse fingiert und dadurch die Sozialversicherungen betrogen zu haben. Die Ermittlungen laufen noch; der Verdacht hat sich laut Staatsanwaltschaft erhärtet, obwohl Schlecker kurz vor der Jahreswende die Anschuldigungen als absurd bezeichnete und versicherte, gerade dabei korrekt gehandelt zu haben.

Auch die zahlreichen anderen Vorwürfe weist Schlecker zurück. Ungeachtet aller Offenbarungen von Schlecker-Bediensteten, ungeachtet der Strafanzeige der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) wegen der Behinderung von Betriebsratswahlen und der untertariflichen Bezahlung lobt er in einem Schreiben an die Mitarbeiter das gute Arbeitsklima und die leistungsgerechte Bezahlung in seinen Betrieben. Zahlreiche Beschäftigte haben sich inzwischen freilich ganz anders geäußert. Und sie haben Belege für Schikanen und zu geringe Bezahlung vorgelegt. Viele beklagen, daß es noch immer so gut wie keine Telefone in den Filialen gibt, wo eine Verkäuferin oft allein Dienst hat. Eine Mitarbeiterin aus Geislingen sagt, sie wisse oft nicht, was sie tun solle, wenn sich ein Ladendieb betätigt: „Ich muß dann auf die Straße laufen und um Hilfe rufen. Oder ich gehe ins Nachbargeschäft und frage, ob ich die Polizei anrufen darf.“ Dabei sind Schlecker-Bedienstete (in einem Schreiben vom 3.März 94) schriftlich dazu vergattert worden, monatlich mindestens einen Kundendiebstahl zu melden. Sogenannte Testeinkäufer – Vorgesetzte oder Detektive – fälschen Preisaufkleber, schmuggeln kleinere Artikel in größere, und all das muß die Kassiererin feststellen, wenn sie sich keinen Ärger mit den Vorgesetzten einhandeln will. Schlecker verspricht nun in Rundschreiben, die Sicherheitsvorkehrungen zu verbessern. „Was die Sicherheitsinvestitionen betrifft, sind wir seit Jahren dabei, geeignete Systeme zu suchen und zu installieren“, verkündet der Drogerie-Zar. Künftig soll es sogar Telefone und Überfallknöpfe geben. Außerdem schreibt Anton Schlecker an seine Beschäftigten: „Geeignete Geldentsorgungsfirmen werden gesucht.“ Daß er die braucht, ist bei sechs Milliarden Mark Umsatz kein Wunder.

Die Gewerkschaft HBV läßt landauf, landab nicht locker. Ob in Nürnberg oder Mannheim, Regensburg oder Ulm, überall werden Betriebsversammlungen durchgeführt und Wahlvorstände gewählt, obwohl die Firmenleitung immer dagegen vorgeht. „Uns wurde strikt verboten, an einer HBV-Versammlung teilzunehmen“, berichtet eine Verkäuferin aus Göppingen. Bei einer solchen Veranstaltung trafen die verunsicherten Mitarbeiterinnen dann überraschend ihren Schlecker-Revisor. „Jetzt schickt der sogar einen Spitzel“, empörten sich die Frauen und informierten den Gewerkschaftssekretär nur noch heimlich.

Landtags- und Bundestagsabgeordnete von SPD und FDP, der Ulmer Oberbürgermeister und Pfarrer beider Konfessionen haben sich jetzt auf Bitten der HBV bereit erklärt, als Paten für die Betriebsratswahlen zu fungieren. Mit Ausnahme seiner SB-Märkte und seiner Lager will Schlecker jedoch auch künftig Betriebsräte mit allen Mitteln verhindern. In Nürnberg hat er bereits gegen einen gewählten Wahlvorstand arbeitsrechtliche Schritte einleiten lassen. Doch die Gewerkschaft gibt nicht nach. Mit einer Postkartenaktion vor mehreren Filialen hat die Ulmer Bezirksleitung zwischenzeitlich auf die Probleme aufmerksam gemacht. Schlecker hat darauf nur geantwortet, er wolle Betriebsratswahlen mit allen Mitteln verhindern. Trotzdem sind im Raum Mannheim, wo die massivste Kritik formuliert wird, bereits in mehreren Orten Betriebsratswahlen eingeleitet worden.

Das alles hält Anton Schlecker nicht davon ab, weiterhin auf stur zu schalten, diesbezügliche Presseanfragen rundweg abzublocken und als neues Unternehmensziel den Ausbau des Filialnetzes auf 8.000 Läden anzukündigen.

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