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Abwickler als Zukunftsmanager

Gesichter der Großstadt: Wolf Schöde, der ehemalige Treuhand-Sprecher, bereitet von Berlin aus als Geschäftsführer die Weltausstellung „Expo 2000“ vor  ■ Von Gunnar Leue

Im Haus 15a in der Wallstraße in Mitte, nur wenige Schritte vom früheren Hauptquartier von Alexander Schalck-Golodkowski entfernt, werkeln fleißig die Handwerker. Wer zu Wolf Schöde, bis zum 31. 12. 1994 Sprecher der Treuhandanstalt, will, muß sich erst mal über vier Etagen Baustelle durcharbeiten. Schöde findet das überhaupt nicht schlimm, beweist es ihm und seinen Besuchern doch, daß hier etwas ganz Neues entsteht – und er ist wieder mal dabei.

Als erster Mieter hat der 52jährige Kölner gemeinsam mit einem Treuhand-Kollegen im Haus ein kleines Büro bezogen, das jeglichen Glanz exklusiver Einrichtung vermissen läßt. In der verkramten Atmosphäre des Raumes wirkt dann nicht mal mehr der Anblick von Turnschuhen an Schödes Füßen unnormal.

Drang nach Neuem

Ohnehin hat er es nicht nötig, sich durch jugendliche Accessoires jünger aussehen zu lassen, als er mittlerweile ist. Schöde, obwohl sogar Beamter, kann seine Gedanken und Empfindungen wie ein aufgeregter Junge aus sich heraussprudeln lassen. Objekt seiner neu entfachten Leidenschaft ist seit zwei Wochen eine kleine Firma zur Unterstützung der Expo 2000, von der er angeblich bis vor kurzem „gar nicht wußte, daß es in fünf Jahren eine gibt“. Das war offensichtlich kein Grund, ihm den Geschäftsführer-Posten nicht anzutragen.

Geworben hat ihn die Ex-Treuhand-Chefin und jetzige Expo-Generalkommissarin Birgit Breuel, die im kommenden April das Büro neben ihm beziehen wird. Unter ihrer Leitung will das höchstens ein Dutzend Mitarbeiter kleine Unternehmen von Berlin aus Kontakte zu ausländischen Ausstellern der nach Hannover vergebenen Weltausstellung im Jahre 2000 knüpfen.

Das Ziel ist für den einstigen Lehrer Schöde dabei klar: Die sechs Monate währende Schau soll „keine Maschinenmesse oder ein Disneyland“ sein, sondern eine kreative Verknüpfung Mensch- Natur-Technik. Schöde stellt sich die Weltausstellung als Ergebnis eines „großen gesellschaftlichen Dialogprozesses und Impulsgeber für Innovationen“ vor. Die Expo als Brennpunkt von Veränderungen.

Und wo Zukunftsweisendes geschieht, da fühlt sich der Mann seit je gut aufgehoben. Als junger Lehrer hat er sich im Bundesbildungsministerium 1972 „um Gesamtschulen gekümmert“, später in Berlin als persönlicher Referent von Wissenschaftssenator Peter Glotz um die Hochschulreform. Im Ruhrgebiet hat er „Technologiepolitik gemacht“, als Ländervertreter selbst bei den Verhandlungen zum Einigungsvertrag mitgemischt, und die Arbeit bei der Treuhand „war ja auch eine Beschäftigung mit Zukunft“. Die ihn allerdings körperlich, intellektuell und psychologisch so belastete, daß er heute meint: „Weitere fünf Jahre hätte ich den Job nicht machen können. Meine Reserven waren aufgebraucht.“

Zuletzt war der schon mit dem ersten Treuhand-Chef Karsten Rohwesser gekommene Schöde der dienstälteste Wessi im ganzen Laden und hatte allen Trouble von Korruptionsskandalen bis zu Hungerstreiks wütender Arbeiter, immer quasi in vorderster Front, miterlebt. Wenn er heute behauptet, daß ihn mit den zukunftszugewandten Ossis inzwischen mehr verbinde als mit den oft trägeren Wessis, weil seine „Sympathien stets den für Veränderungen und Fortschritt offenen Leuten“ gehörten, werden das Zigtausende von unnütz gewordenen VEB-Proletarier wohl nur als Zynismus verstehen.

Bedeuteten doch für viele von ihnen die Entscheidungen der Treuhandanstalt, die Schöde meist zu verkünden hatte, schlicht den endgültigen Abstieg in die Arbeitslosigkeit. Den Ostlern wird er wohl am ehesten als Überbringer der schlechten Nachricht in Erinnerung bleiben. Den meisten Wessis vermutlich gar nicht.

Trotzdem meint „Wossi“ Schöde das Kompliment für die ehemaligen DDRler wirklich ernst. Hatte er den Vorwende- Osten bei zwei Kurztrips nach Ostberlin nur als unheimlich empfunden, hält der jetzige Weddinger Berlin für die derzeit aufregendste deutsche Stadt überhaupt. Daß Parlament und Regierung hierhergehören, sei für den Rheinländer immer selbstverständlich gewesen. Nur müsse die Hauptstadt erst mal etwas daraus machen.

Auf ihn kann man da natürlich zählen: „Auch unsere Firma ist ein Stück Zukunft der Stadt.“ Weil Schöde die quirlige Metropole nicht nur mag, sondern deren Trubel gern ein bißchen mitbestimmen will, ließ er sich als Beamter für den neuen Job noch mal bis zur Jahrtausendwende freistellen.

In welche Richtung er bis dahin seine Kreativität als Expo-Gestalter lenken sollte, kann er schon bald von seiner Bürowand ablesen. Das im Moment noch kahle Gemäuer will er seinem 18jährigen Sohn zur Bemalung freigeben. Der Graffiti-Sprayer darf sein Bild von der Expo 2000 in den Arbeitsraum des Alten projizieren.

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