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Supergünstig eingekauft

■ ZDF-Verbrauchermagazin hat Beiträge gesendet, die heimlich gesponsert sind

Seit Privatsender ihnen die Werbeeinnahmen streitig machen, müssen ARD und ZDF sparen. Zum Beispiel indem sie Beiträge für ein TV-Magazin von freien Produktionsbüros herstellen lassen. Für die ZuschauerInnen ist das nicht unbedingt von Vorteil. Denn solche Produktionsbüros arbeiten manchmal nur dadurch so billig, daß sie Berichte von interessierten Firmen mitfinanzieren lassen. Richtig günstig wird es für einen Sender, wenn er sogar einen komplett gesponserten Beitrag ankaufen kann. Dann nämlich zahlt der Sender in der Regel nur noch einen Bruchteil der Produktionskosten.

Wie kam zum Beispiel das ZDF-Magazin „Info Verbraucher“ dazu, am 27. Januar 1994 gleich zwei gesponserte Beiträge auszustrahlen? „Als wir die Sendung planten, das war am Jahresende, waren wir in einem finanziellen Engpaß“, erklärt die verantwortliche Redakteurin Marion Brandt-Odenthal ihre unangenehme Lage. Also kaufte man bei dem Kölner Produktionsbüro „TV-Themendienst“ die extrem billigen Beiträge. Zwar will sich dessen Geschäftsführer Ulrich Corsten nicht zu dem doppelten Spiel bekennen und sagt: „Wir machen keine gesponserten Beiträge.“ Aber einer seiner Kunden, die „Centrale Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA)“, bestätigt, daß sie selbst den „TV-Themendienst“ für die Produktion und Verbreitung des ZDF-Beitrags über „Integrierten Apfelanbau“ bezahlt hat.

Wie solche Zusammenarbeit mit Rundfunk und Fernsehen mit Hilfe von PR-Firmen auf die Beine gestellt wird, zeigt das Zustandekommen des zweiten Beitrags, der am selben Tag in der Verbrauchersendung lief. Bereitwillig erzählt der Geschäftsführer der „Grafschafter Krautfabrik“, Ernst Franceschini: Zunächst hatte man über die PR-Firma „Gesellschaft für neue Medien Büscher & Hofschulz“ mehrere Themen in Rundfunkbeiträgen verarbeiten lassen. Die Berichte seien von mehreren lokalen privaten Radiostationen ausgestrahlt worden, ohne daß die dafür gezahlt hätten. Da Rübenkraut „ja auch prima zum Backen geeignet ist“ (Franceschini), durfte ein Ernährungsexperte selbiges Produkt empfehlen.

Als sich dann 1993 die Firmengründung zum hundertstenmal jährte, wurde ein kurzer Industriefilm über die Fabrik gedreht. Die „Grafschafter Krautfabrik“ ließ sich das „10.000 bis 12.000 Mark“ kosten. Die PR-Firma vermittelte das Produktionsbüro „TV-Themendienst“, das den Bericht auch gleich an die Redaktion „Boulevard Deutschland“ der Deutschen Welle und das ZDF weiterverkaufte.

So durfte dann der Geschäftsführer der einzigen Firma, die in Deutschland Zuckerrübensirup im Einzelhandel vertreibt, im ZDF die herausragenden Eigenschaften seines Produkts erwähnen: „Zuckerrübensirup kommt dem Gesundheitsbewußtsein der Bevölkerung entgegen.“

Direkte Schleichwerbung, nach dem Rundfunkstaatsvertrag verboten, ist nicht das einzige Problem, das sich aus der zunehmenden Abhängigkeit der Fernsehsender von Produktionsbüros ergibt. Vor allem erhalten Unternehmen die Gelegenheit, Themen in den Medien zu lancieren. „Sie verkaufen einen Trend“, wie Eckart Schibber, Vorsitzender des „Arbeitskreises Medizinjournalisten – Club der Wissenschaftsjournalisten“, beklagt. Und Themen, die Lobbyisten am Herzen liegen, werden in PR-Beiträgen kaum aus der Sicht eines kritischen Journalismus dargestellt.

So wurde den ZDF-ZuschauerInnen in der Sendung „Info Verbraucher“ am 30. Dezember 1993 zum Thema Luftqualität in geschlossenen Räumen erklärt, ein Rauchverbot in Kneipen sei weder erwünscht noch nützlich. Denn, so durfte ein Facharzt dort erklären, es sei „bis heute ja nicht einmal nachgewiesen, daß der Bürger durch Passivrauchen überhaupt gesundheitlich in irgendeiner Form gefährdet wird“.

Versteckt gesponserte Magazinbeiträge sind nicht als solche zu erkennen. Pech in diesem Fall für alle an dem zwielichtigen Geschäft Beteiligten, daß die PR-Firma Büscher & Hofschulz so unklug war, an potentielle Kunden eine Videokassette mit mehreren Sendemitschnitten zu verschicken. Auftraggeber, Sender und Ausstrahlungsdatum waren unter dem Firmenbriefkopf säuberlich aufgeführt. So wird als Auftraggeber für den ZDF-Beitrag „Indoor Air Quality“ dort der VdC (Verband der Cigarettenindustrie) genannt.

Irgendwann muß ZDF-Redakteurin Marion Brandt-Odenthal dann aber doch Skrupel bekommen haben: Statt finanzielle Engpässe bei „Info Verbraucher“ durch gesponserte Beiträge zu überbrücken, soll jetzt kostengünstiger Small talk mit Experten einen Teil der Produktionen ersetzen. Doch bei den verbleibenden Magazinbeiträgen kann die Herkunft der Informationen oft nicht mehr geprüft werden. Denn woher weiß die Redakteurin, daß Produktionsbüros nicht weiter Geld von Unternehmen bekommen? Brandt-Odenthal: „Das kann ich nicht ausschließen.“ Birte Meier

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