: Die Clintons modellieren ihr Image neu
■ Mit seiner Rede an die Nation wird Bill Clinton heute abend den Präsidentschafts- Wahlkampf 96 einläuten, Hillary Clinton kämpft unterdes für die „Sesamstraße“
„Hiermit erkläre ich den Präsidentschaftswahlkampf 1996 für eröffnet.“ Diese Worte wird Bill Clinton heute abend zur besten Sendezeit zwar nicht aussprechen. Doch faktisch beginnt mit Clintons State of the Union address, der Ansprache des Präsidenten an das Volk und den Kongreß, das Rennen um den Sitz im Weißen Haus. Den ersten Stolperstein nach der schweren Wahlniederlage im letzten November hat Clinton vorerst beiseite geräumt: Die Gerüchteküche über mögliche Gegenkandidaten innerhalb der eigenen Partei, die dem Amtsinhaber eine zweite Nominierung als Spitzenkandidat streitig machen könnten, ist bis auf weiteres geschlossen.
Wer nun heute abend einen profilierten Kämpfer gegen den politischen Rechtsruck nach den Novemberwahlen erwartet, dürfte sich enttäuscht sehen. Clinton wird voraussichtlich Altbewährtes aus seinem 92er Wahlprogramm wie die Forderung nach der Reform des Lobbywesens und der Wahlkampffinanzierung präsentieren – und sich im gleichen Atemzug mit Newt Gingrich über das Copyright für den neuen Rechtspopulismus streiten.
Den Abbau bundesstaatlicher Programme sowie die Senkung von Steuern, so Clintons These, hätten seine Administration und er selbst von Beginn an auf der Liste gehabt.
Vor allem aber geht es Clinton darum, wieder das Zepter des Regierungschefs an sich zu nehmen. Seinem großen Gegenspieler im Kongreß, Newt Gingrich, war es in den letzten Wochen gelungen, zumindest auf der Ebene der Performance die Rolle eines Premierministers zu spielen, der sein Regierungsprogramm in Form eines „Vertrages mit Amerika“ durchsetzen will. Historiker und Kommentatoren hatten daraufhin das Ende der Ära des „starken Präsidenten“ eingeläutet und die politische Macht in Washington bis auf weiteres wieder mal im Kongreß geortet.
Um sich heute abend als wiedergeborener Kämpfer und als Führungspersönlichkeit zu präsentieren, hat Clinton in den letzten Wochen seinem ebenso eklektischen wie fluktuierenden Kreis von Beratern und Sinnstiftern aus Hollywoodstars wie Barbara Streisand, republikanischen Redenschreibern wie David Gergen oder Kommunitaristen wie Amitai Etzioni nun auch einige Gurus aus dem Bereich der Pop-Psychologie und der Lebenshilfe geholt – frei nach dem Motto: „Zehn Stufen auf dem Weg zum erfolgreichen Präsidenten“.
Schritte zur Neumodellierung ihres Images hat nicht nur der Präsident, sondern zum x-ten Mal auch die First Lady unternommen. In Anbetracht extrem geringer Popularitätsraten in Meinungsumfragen gilt Hillary Clinton zur Zeit nicht nur in den Augen vieler Republikaner als Belastung für die politische Karriere ihres Gatten. Das Scheitern der Reform des Gesundheitswesens, deren Entwurf unter ihrer Federführung stattfand, wird ihr ebenso angelastet wie ethisch fragwürdiges Verhalten in der Whitewater-Affäre.
In den letzten Wochen und Monaten war nicht zuletzt deshalb von der First Lady im politischen Alltagsgeschäft wenig zu sehen. Inzwischen hat sie ihrem öffentlichen Image ein paar Pinselstriche à la Barbara Bush hinzugefügt und läßt sich in der Öffentlichkeit eher mit Hauskater Socks als mit einer Gesetzesvorlage in ihren Armen ablichten.
Nicht einmal die Meldung, daß Newt Gingrich von ihr vorzugsweise als „bitch“, als „Miststück“, redet, brachte sie in Wallung. Statt dessen lud sie den neuen Sprecher des Repräsentantenhauses samt seiner Mutter zu einer Privatführung ins Weiße Haus ein. Ihr alter Kampfgeist flackerte zuletzt am Wochende auf, als sie die staatlich mitfinanzierte Fernsehenanstalt PBS, von der unter anderem der Kinderhit „Sesamstraße“ gezeigt wird, gegen den Rotstift der Republikaner verteidigte. Es sei ihr egal, was Newt Gingrich über sie denke oder sage. „Aber er soll Big Bird in Ruhe lassen.“
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