: Die Post-Nowottny-Ära
■ Am 7. März soll der neue WDR-Intendant gewählt werden. Die Kandidatensuche hat begonnen: Entscheidet trotz öffentlicher Ausschreibung das SPD-Parteibuch?
Bei jeder Gelegenheit wiederholt Friedrich Nowottny derzeit, daß er aus „ausschließlich persönlichen Gründen“ als WDR-Intendant schon im Juni aufhören will – nach neuneinhalbjähriger Dienstzeit und zwölf Monate früher als geplant. Dabei ist seine Ankündigung in den vergangenen Wochen allenthalben als Befreiungsschlag interpretiert worden – vornehmlich gegen Reinhard Grätz, den Vorsitzenden des Rundfunkrates. Mit seinem Timing hat Nowottny nämlich Grätz die Chance vermasselt, nach der NRW-Landtagswahl am 14. Mai selbst Intendant zu werden. Denn der SPD-Politiker muß jetzt erst mal Wahlkampf machen, und ab dem 7. März wird es schon einen Intendanten geben – der nicht Grätz heißt.
„Absoluter Quatsch“
Nach ihm wurden mit NRW- Staatsminister Wolfgang Clement und Jürgen Büssow, medienpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion, noch zwei weitere SPD-Politiker ins Gespräch gebracht. Für Clement war das mediale Geraune über seine WDR-Ambitionen ein böses Störfeuer, gilt er doch als einer der potentiellen Nachfolger von Ministerpräsident Johannes Rau. Dementsprechend schnell hat Clement die Spekulationen als „absoluten Quatsch“ dementiert. Büssow hingegen, der gegenüber der taz versichert, an den Gerüchten sei von vornherein nichts dran gewesen, wartete mit seinem Dementi. „Ich wollte einfach nicht einsehen, daß Politiker zuerst dementieren sollen.“ Politiker per se vom Intendantensessel fernzuhalten, könne nur zu Politikverdrossenheit beitragen, glaubt Büssow.
Die Fährte, nach der führende SPD-Medienpolitiker über ihre faktische Vormacht in den WDR- Gremien hinaus auch höchstpersönlich auf Nowottnys Posten scharf sind, mögen, wie Büssow meint, „Büchsenspanner“ gelegt haben. Der Behauptung von Norbert Blüm hingegen, CDU-Vorsitzender in NRW, die SPD betreibe gegenüber dem Landessender eine „Politik der freundschaftlichen Belagerung“, mögen auch Sozialdemokraten kaum widersprechen.
Nowottny jedenfalls, der 1985 mit Hilfe der CDU zum Nachfolger des von Skandalen gebeutelten SPD-Intendanten von Sell gekürt worden war, hatte es immer schwer, dem Druck aus Düsseldorf standzuhalten. Ob 1987 das Kabelpilotprojekt Dortmund, für das der WDR zuständig war, gegen den Willen Nowottnys verlängert oder der Abgang des bräunlich befleckten Frühschöppners Werner Höfer, wiederum gegen Nowottnys Votum, beschleunigt wurde – gerade Grätz gelang es mehrfach, den Anstaltsleiter WDR-intern regelrecht vorzuführen. Für den Kölner Express war Grätz schon 1988 der „heimliche Intendant“. Erst in seiner zweiten Amtsperiode haute Nowottny mal auf den Tisch: „Wir sind doch kein Regierungssender.“
Der neue Intendant wird nicht mehr im kleinen Kreis des WDR- Verwaltungsrates ausgehandelt, sondern erstmals vom 41-köpfigen Rundfunkrat gewählt. Diese Änderung verlangt das WDR-Gesetz von 1985 (das erst nach Nowottnys Wahl in Kraft trat). Über das Procedere der Intendantenwahl macht das Gesetz aber keine Angaben. Ginge es allein nach Grätz, dann würde den Intendanten eine fünfköpfige Findungskommission vorab benennen, in der mit ihm selbst, seinem Stellvertreter Rainer Hesels und Büssow (Vorsitzender des Entwicklungsausschusses des Rundfunkrates) drei Genossen sowie zwei parteipolitisch nicht verortete „Graue“ säßen.
Offenes Verfahren
Tatsächlich aber hat sich der Rundfunkrat auf ein „möglichst offenes Verfahren“ geeinigt. Eine Wahlvorschlagskommission aus den Vorsitzenden und Stellvertretern des Rundfunkrates und seiner drei Ausschüsse kann Interessenten sichten, Gespräche führen und Vorschläge machen, die sie begründen muß. In der Zeit wurde die Stelle sogar ausgeschrieben.
Wer kann mit wem ...
Trotz dieser Demonstration von etwas mehr Transparenz bleibt fraglich, ob beim Sichten der Nachfolge-Aspiranten die Staats- und Politikferne eingehalten wird, die das Gesetz eigentlich vorschreibt. Denn in der medialen Gerüchteküche geht es weiterhin nur darum, wer mit welchem Parteibuch mit wem am besten kann. WDR-Hörfunkdirektor Fritz Pleitgen etwa, der als Nowottnys Wunschkandidat gilt, hat zwar ein SPD-Parteibuch, kommt aber nicht gut mit Grätz zurecht.
ARD-Programmdirektor Günter Struve, der bis Mai 1992 Fernsehdirektor des WDR war, kann mit Grätz, hat aber vor zwei Jahren sein SPD-Parteibuch abgegeben. Wie wäre es, wenn sich der WDR- Rundfunkrat – Friedrich Nowottny als Beispiel nehmend – ganz einfach auf die Wahl unter parteilosen Kandidaten verpflichten würde? Peter Hanemann
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