: Machos für Momper
■ Neue Initiative gegründet / Initiator Hans Fleckenstiel hofft auf die Stärkung herb-ursprünglicher Männlichkeit / Wenn Stahmer gewinnt, packt er die Koffer
Hans Fleckenstiel triumphiert. Vor Freude ballt er die Fäuste, daß die Finger rot anlaufen. „So viel Zuspruch innerhalb so kurzer Zeit“,lacht der 39jährige, „das hätte ich nie gedacht.“ Der schmächtige Mann mit dem Oberlippenbärtchen, der wochentags als Abwasseringenieur arbeitet und am Wochenende im Männerchor „Flammende Herzen“ singt, hat vor gut einer Woche die Initiative „Machos für Momper“ gegründet.
Seine Zwei-Zimmer-Junggesellen-Wohnung in Mitte, die mit Fotos aus seiner Jugendzeit geschmückt ist – in den siebziger Jahren hat er eine Weile lang als Besamer in der LPG „Friedrich Engels“ in Neubrandenburg gearbeitet – fungiert nunmehr als provisorisches Büro. „Hier, lesen Sie mal“, sagt er und wühlt in den herumliegenden Briefen. „Sehr geehrter Herr Fleckenstiel, herzlichen Glückwünsch zu Ihrer genialen Idee!“ Oder: „Lieber Genosse Hans, du hast uns allen ein Angebot beschert, das endlich wieder Mut macht, sich in der Politik zu engagieren.“ Der Gründungsvater zupft lächelnd an seinem Oberlippenbärtchen: „Das alles zeigt, daß hier ein riesiges Bedürfnis nach echter Männerpolitik herrscht.“
Nein, er habe nichts gegen Ingrid Stahmer, beeilt sich der Genosse Hans sogleich zu versichern. Aber etwas gegen Frauen als Chefinnen. „Ich sage nur: Margot Honecker. Die hat doch ihren Erich und uns alle mit eiserner Faust regiert.“ Er persönlich wolle das nicht noch mal erleben: „Wenn in der deutschen Hauptstadt eine Regierende Bürgermeisterin das Sagen hat, packe ich sofort die Koffer. Meine Initiative ist vielleicht die einzige Möglichkeit, das noch zu verhindern.“
Hans Fleckenstiel, der bisher ein „eher unscheinbares Dasein“ geführt hat, wurde durch ein Männerseminar inspiriert. „Mut zum Bekennermut“ sagte er sich, nachdem im letzten Jahr ein Survivaltraining im Grunewald sein Leben veränderte. Bereits am ersten Tag des Workshops herrschte Männertrainer John Belliconi seine Mannen an: „Ihr werdet kalt duschen, aber kein Deo benutzen. Ihr werdet euch nicht rasieren und wenig schlafen.“
Nach dem Rezept der US-Bestsellerautoren Robert Bly („Eisenhans“) und Sam Keen („Feuer im Bauch“) lernten die „wilden Kerle“, wie sie sich nannten, ihre „jahrelang unterdrückte Männlichkeit“ wieder auszuleben. Sie schrien und bufften sich, boxten und rangen („einmal sogar mit einem Wildschwein“). Jeden Morgen predigte ihnen ihr Führer, der ehemalige Unternehmensberater, aus der neuen Männerbibel von Sam Keen. „Wie ein schmales Südseeatoll inmitten des monsungepeitschten Ozeans“, warnt Keen, „ist die männliche Psyche ständig in Gefahr, von der femininen See überrollt zu werden.“ Mann müsse sich endlich unabhängig von Mama und Frau definieren lernen.
„Unser Trainer hat versprochen“, berichtet Fleckenstiel stolz, „uns die Gelegenheit zu bieten, ,einander zu unterstützen, zu stärken und jene Liebe zu entdecken, die zwischen Männern existieren kann‘. Er hat dieses Versprechen gehalten. Diese Art von unverbrüchlicher Männerfreundschaft ist es, die ich jetzt aus Dankbarkeit einfach nur weitergeben will – an Walter Momper. Denn er ist einer von uns, das weiß ich. Handfest, standfest, unnachgiebig, bis die Tränen fließen.“
Das Telefon klingelt. Fleckenstiel hebt den Hörer ab, über sein Gesicht zieht ein Lächeln wie ein Leuchtfeuer. „Das war er“, flüstert er, als er wieder aufgelegt hat. „Er hat sich ganz herzlich bedankt.“ Ute Scheub
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