: „Qualmen vervierfacht den Kater“
■ Ein Gespräch mit der Kettenraucherin Anne O'Leary über Tabakschmuggel in Irland
taz: In Berlin kann man an jeder Straßenecke geschmuggelte Zigaretten kaufen, in Dublin gibt es dagegen nur illegal eingeführten Tabak zum Drehen. Woran liegt das?
Anne O'Leary: Das ist ganz einfach: Bisher hat es sich noch kein Politiker entgehen lassen, beim Haushaltsplan die Tabaksteuer zu erhöhen – das geht nach Gewicht. Eine Schachtel Zigaretten kostet rund 2,50 Pfund, für ein Päckchen mit fünfzig Gramm Tabak muß man inzwischen 6,11 Pfund (knapp 15 Mark) hinblättern. Das reicht dann für zwei, drei Tage. Seit etwa drei Jahren verkaufen die Straßenhändlerinnen in der Innenstadt Tabak für 3,50 Pfund.
Wie kommen sie an den Tabak heran?
Durch Schmuggel im großen Stil. Das machen natürlich nicht die Händlerinnen, sondern da stecken Profis dahinter. Laut Banderolen kommt der Tabak aus Frankreich, Dänemark und den Niederlanden. Er wird dort wahrscheinlich im Großhandel eingekauft und legal in ein Land außerhalb der Europäischen Union exportiert – so spart man die Mehrwertsteuer. Danach wird das Zeug illegal nach Irland geschafft. Im November hat der Zoll im Hafen von Rosslare Tabak im Wert von drei Millionen Pfund beschlagnahmt. Er war in einer Holzkiste versteckt, die mitten in einem riesigen Schiffscontainer voller Fleisch untergebracht war. In einem Zollbericht hieß es in der vergangenen Woche, daß 1994 Tabak für sieben Millionen Pfund sichergestellt wurde. Das ist natürlich nur die Spitze des Eisberges.
Unternimmt die Polizei auch etwas gegen die Frauen, die den Tabak auf der Straße verkaufen?
Die Einzelhändler fordern schärfere Maßnahmen gegen den Schmuggel, weil er ihnen das Geschäft verdirbt. Seit Weihnachten geht die Polizei immer öfter gegen die Händlerinnen und ihre Kinder vor, die nach der Schule – noch in Schuluniform – beim Verkauf mithelfen. Das Geschäft ist jetzt viel konspirativer geworden. Früher priesen die Frauen lauthals ihre Ware an, heute flüstern sie dir im Vorbeigehen zu. Aber sie erkennen die Zivilpolizisten schon von weitem.
Welche Strafe droht den Händlerinnen?
Sie könnten wegen Verkauf von illegal importierter Ware angezeigt werden. Meist beläßt es die Polizei aber bei einer Warnung. Ich habe bisher noch nicht erlebt, daß der Tabak beschlagnahmt wurde. Wenn sie verscheucht werden, sind die Frauen fünf Minuten später wieder da. Die meisten sind offiziell arbeitslos und kommen aus Familien, in denen schon seit Generationen mit allem möglichen gehandelt wird. Mit dem Tabak verdienen sie sich ein paar Pfund hinzu.
Du hattest vor zwölf Jahren eine Nierentransplantation, die Ärzte haben dir danach dringend geraten, Zigaretten und Alkohol aufzugeben.
Zur Hölle mit den Ärzten. Die hatten ja keine Transplantation, sondern ich. Ich höre auf, wenn ich keine Lust mehr habe zu rauchen. Allerdings bin ich vor ein paar Jahren auf Selbstgedrehte umgestiegen. Zum einen rauche ich dadurch ein bißchen weniger, weil die Kippen ständig ausgehen, zum anderen rede ich mir ein, daß Tabak weniger krebserregende Stoffe als Zigaretten enthält. Einen Nachteil hat das Qualmen freilich: Es vervierfacht den Kater am Morgen. Interview: Ralf Sotscheck, Dublin
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