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Frohes Fest -betr.: "Ein bißchen Spaß muß sein", taz vom 26.1.1995

Betr.: „Ein bißchen Spaß muß sein“, 26.1.95

Zugegebenermaßen verwirrt es zunächst, wenn in Deutschland ein Fest zur Befreiung vom – eben deutschen – Faschismus begangen wird. Der überaus polemische Artikel suggeriert jedoch, daß das geplante Fest ein ,Abschied' für die deutsche Vergangenheitsbearbeitung sei. Till Briegleb kann (oder will) diese Einschätzung allerdings nicht schlüssig begründen.

Laut etymologischem Duden bedeute die Vorsilbe ,be' „allgemein die (zeitlich begrenzte) Einwirkung auf eine Sache oder Person“. Daß in diesem Fall die Einwirkung auf Nazi-Deutschland von den Alliierten ausging, ist wohl jedem an der Feier Teilnehmenden klar. Die Anderen hätten logischerweise keinen Grund zum Feiern. Daß durch das diesjährige „Supergedenkjahr“ kein Schlußstrich unter die Erinnerung an die Greuel des deutschen Faschismus gesetzt werden soll, wird durch zahllose Veranstaltungen zur Genüge kundgetan. Diejenigen, die dieses Fest feiern, sollten (und werden wohl auch) sich durchaus der Tatsache bewußt sein, daß das deutsche Volk sich nicht aus eigenem Antrieb vom Faschismus befreit hat.

Aus diesem Wissen werden die Feiernden auch ihr eigenes Leben feiern. Denn diejenigen, die Befreiung feiern, werden auch und vor allem in dem Bewußtsein feiern, daß sie bei Fortbestand des Nazi-Regimes durch Folter oder KZ vom Leben „befreit“ worden wären. Daß die Feiernden, ob sie nun Künstler, Journalisten oder ganz ,normale' Menschen sind, auf „diesem perfiden Weg Abschied von der Auseinandersetzung mit der Kontinuität von Geschichte nehmen“, wie es Till Briegleb suggeriert, ist doch sehr unwahrscheinlich. Wenn sie dieses Fest so gestalten, wie es der Sache angemessen ist, werden sie eher einen nicht unmaßgeblichen Beitrag dazu leisten, daß dieser Jahrestag auch ein Beitrag zur Erinnerung, zur konstruktiven Kritik der Gegenwart und ein Auftrag zur Verteidigung von Menschlichkeit und Toleranz wird.

In diesem Sinne „Frohes Fest“

Heike Thiele

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