: Rinderwahnsinn: Seehofer schnaubt
■ Bundesgesundheitsminister erleichtert Einfuhr von britischem Rindfleisch nach Deutschland
Brüssel (taz) – Einen Importstopp für britisches Rindfleisch, wie er vor zwei Wochen vom Bundesrat beschlossen wurde, wird es nicht geben. Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer hat gestern die Eilverordnung verlängert, mit der die EU- Regelung zum Schutz der FleischesserInnen vor der Seuche BSE auch in Deutschland gilt. Weil der Bundesrat die EU-Vorschriften für zu lasch hält und sich weigert, diese in nationales Recht zu übernehmen, versucht Seehofer die Gesetzeslücke mit Notverordnungen zu überbrücken.
Der seit Wochen anhaltende Streit zwischen der Bundesregierung und dem SPD- dominierten Bundesrat über die Umsetzung der EU-Bestimmungen erlebte am Donnerstag abend in Brüssel einen neuen Höhepunkt. Weil die alte Eilverordnung am kommenden Montag auslaufen sollte, trafen sich der Gesundheitsminister und einige der zuständigen MinisterInnen aus den Bundesländern beim Agrarkommissar der Europäischen Union, Franz Fischler. Nach dem Termin standen sich die Positionen unversöhnlicher gegenüber als je zuvor. In der Eingangshalle der Europäischen Kommission gifteten Seehofer und die rheinland-pfälzische Umweltministerin Klaudia Martini über die Uneinsichtigkeit der anderen Seite. Klaudia Martini, die zur Zeit den Bundesrat in Sachen Rinderwahn vertritt, hält die EU-Bestimmungen für leichtsinnig und fordert nach wie vor ein totales Einfuhrverbot. Seehofer halte den Schutz des Binnenmarktes offensichtlich für wichtiger als den Schutz der VerbraucherInnen. Enttäuscht war Martini auch vom neuen Agrarkommissar Fischler, der keine Bereitschaft zeigte, die Vorschriften noch einmal zu überdenken. Er habe vielmehr gedroht, bei einem deutschen Alleingang den Europäischen Gerichtshof wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht anzurufen. Der Bundesgesundheitsminister schnaubte zurück, daß Frau Martini die rechtliche Lage nicht überblicke und konfuses Zeug rede. Seehofer, der im letzten Mai noch selbst einen deutschen Alleingang in Erwägung zog, hält die EU-Regeln inzwischen für ausreichend. Auf Druck der Bundesregierung hat die Europäische Union im Herbst die Ausfuhrbestimmungen für britisches Fleisch verschärft.
Danach darf Rindfleisch nur dann aus Großbritannien exportiert werden, wenn es aus Beständen kommt, in denen seit sechs Jahren kein Fall von Rinderwahnsinn aufgetreten ist und wenn die Tiere nach dem 1. Januar 1992 geboren wurden. Die Fristen sind wichtig, weil bei infizierten Tieren die Krankheit erst nach zwei bis fünf Jahren ausbricht. Außerdem geht man davon aus, daß die Seuche durch das Verfüttern von infiziertem Tiermehl übertragen wird und diese Praxis in Großbritannien erst 1990 eingestellt wurde. Weil der wissenschaftliche Veterinärausschuß zu dem Schluß gekommen ist, daß die Krankheit nur Lymph- und Nervengewebe befalle, darf Muskelfleisch auch von älteren Tieren ausgeführt werden.
Damit, so Seehofer, sei der Schutz der Verbraucher ausreichend gewährleistet. Er räumte aber ein, daß der Erreger der Krankheit nach wie vor unbekannt sei und daß die Übertragung auf Menschen nach heutigem Wissen nicht völlig ausgeschlossen werden könne. In Großbritannien gehen jede Woche mehrere hundert Rinder ein, seit Ausbruch der Seuche vor neun Jahren mehr als 100.000. Doch mit den neuen EU-Bestimmungen sei das Restrisiko für die Verbraucher, wie Seehofer sagte, so klein, daß es einen Bruch mit dem europäischen Recht nicht rechtfertige. Alois Berger
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