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Man kann viel verbessern

■ Neuerer sägen am alten Gebälk des Handwerks und wollen Innovationen

Am liebsten würde der Ingenieur Hans-Jürgen Niemeyer die Heizungsableser ausschalten. Oder die Schornsteinfeger. Oder den Gasmann. Das ginge ganz einfach: Ein Knopfdruck auf die Computertastatur genügte – und niemand würde diese Männer je vermissen. Denn Niemeyer hat schon Ersatz zu bieten: die Elektronik seiner „Zentralen Leitwarte“ könnte deren Aufgaben übernehmen. Vom Stromablesen bis hin zur Überwachung und Ferneinstellung der Raumtemperatur kann die alles. Der Hit: „Der Monteur bringt das Ersatzteil gleich mit, weil er am Bildschirm schon erkennen konnte, was an der Belüftungsanlage kaputt ist.“ Das wäre der Schulterschluß mittelständischer Wirtschaft mit der Ökologie. So denkt sich der Chef des Sanitär- und Handwerksbetriebs Renke die Zukunft. Theoretisch.

Denn praktisch sind viele Handwerksbetriebe mit solch „intelligenten Lösungen“ überfordert. Das sagen Mitarbeiter des Landesprogramms „Arbeit und Technik“, das die Arbeitssenatorin zur Förderung technischer und sozialer Innovationen 1990 mit Bundesmitteln auflegte – und auch die Handwerkskammer gesteht die Überforderung vieler Meisterbetriebe ein: „Wer vor 20 Jahren für den Heizungsbau ausgebildet wurde, kann mit der rasanten technischen Entwicklung oft schwer mithalten.“

Interdisziplinarität und Teamarbeit, die Schlagworte moderner Produktion, sollten auch im Handwerk gelten. Das ist die Überzeugung von Handwerksbetrieben, die sich im Landesprogramm engagieren. Niemeyer gehört dazu – als Kritiker des alten Meistermodells. Das behindere nur. Erstens, weil es die Handwerksbereiche tendenziell trennt, die nun verstärkt zusammenarbeiten müssen: In der modernen Gebäudeleittechnik beispielsweise Elektro, Installation und Sanitär. Und zweitens, weil es dieses Ausbildungsmodell in ganz Europa nicht gibt – ein Wettbewerbsnachteil. „Das muß reformiert werden.“ Mit zwei Studienabschlüssen als Ingenieur und Ökonom steht der Renke-Chef von 70 Beschäftigten auf der sicheren Seite: Schon lange macht der Betrieb in Fernwärme für Wohnungsbaugesellschaften. Ludger Deitmer vom Projekt „Arbeit und Technik“ ist da weniger radikal: „Wir wollen die alten Strukturen nutzen und in neuer Weise stärken. Sonst droht dem Handwerk eine Zukunft als niederer Dienstleister oder reiner Reparateur.“

Schließlich schläft die europäische Konkurrenz nicht. „Holländische und dänische Betriebe arbeiten hier schon“, weiß Renke. Und auch, daß von 204 bremischen Betrieben im Sanitär- und Heizungsbereich vor fünf Jahren nur noch 187 übrig geblieben sind. Dennoch blieb die Zahl der Arbeitsplätze in Handwerk Bremens mit rund 35.000 Arbeitsplätzen insgesamt stabil. „Noch“, sagt Deitmer. Er fürchtet, daß die flächendeckende und verbrauchernahe Struktur aus mittelständischen Betrieben bedroht sei, wenn das Handwerk nicht moderner arbeite. Man müsse in die Offensive.

Ausbildung steht deshalb auf Platz eins der Verbesserungsliste des Landesprogramms. „Ich kenne Meisterschüler, die nicht wissen, wie man einen Computer bedient“, stöhnt Niemeyer von einem „Defizit“. Von einer herstellerunabhängigen Weiterbildung will er gar nicht erst reden. Lücken in Kommunikation und Weiterbildung will auch die Uni schließen: Sie bringt Anwender und Entwickler an einen Tisch.

Eine weitere Hürde, die für Neuerungen im Energiebereich zu nehmen ist, liegt in der Politik, im System der öffentlichen Haushalte: Wenn Summen, die mit neuen Energiesystemen gespart werden, sowieso im allgemeinen Haushalt verschwinden, entstehe kein Anreiz für teure, energiesparende Investitionen, sagt Deitmer. „Da fliegt das Geld weiter zum Schornstein raus.“ Und Niemeyer blickt auf die 1.200 städtischen Liegenschaften: Was könnte er da nicht alles besser machen. Wie zum Beispiel derzeit auf dem Teerhofgelände. Dessen Heizungsversorgung geht im März an das Renke'sche Computernetz. Mit allen Vorzügen der modernen Gebäudeleittechnik: Energiesparend, emissionsarm und aus der Ferne effektiv gewartet.

Eva Rhode

Weiterbildung in der Gebäudeleittechnik findet im Zentrum für Gebäudeautomation, An der Weserbahn 4-5 statt.

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