: Energiekonsens: Kohle als Sprengstoff
■ Bundesregierung über Kohlefinanzierung weiter uneins / Neuauflage der Energiekonsens-Gespräche Anfang März / Kohlesubventionen als Hebel gegen Atomausstieg / Bergleute planen Marsch auf Bonn
Bochum/Bonn (taz) – Die Bonner Regierungsparteien lassen die Bergleute weiter im ungewissen. Auch gestern gelang es CDU, CSU und FDP nicht, sich auf ein Finanzierungskonzept für die westdeutsche Steinkohle zu einigen. Immerhin aber wollen die Koalitionsparteien und die SPD Anfang März die Energiekonsens-Gespräche über die Zukunft von Kohle- und Atomenergie wieder aufnehmen.
Die ersten Konsensgespräche waren 1993 wegen des Streits um die Atomkraft ergebnislos abgebrochen worden. Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) sagte nach der gestrigen Koalitionsrunde, in den Beratungen müsse die SPD die Weiternutzung der Atomkraft akzeptieren, wenn die Kohlefinanzierung auf eine sichere Grundlage gestellt werden solle.
Die Teilnehmer an der Konsensrunde werden, genau wie die Themen, mehr oder weniger dieselben sein wie beim ersten mißglückten Anlauf. Die Koalition will vor allem die Zukunft der Atomenergie sichern; die SPD, die in den subventionsabhängigen Kohleländern Saarland und Nordrhein-Westfalen regiert, will die Steinkohlefinanzierung retten. Während die SPD eine Verknüpfung der Themen Kohle und Atom ablehnt, wollen die Bonner Koalition und die CDU/CSU-regierten Länder mit den Kohlesubventionen als Faustpfand die SPD von ihrem Nürnberger Ausstiegsbeschluß von 1986 abbringen.
Im vergangenen Sommer hatte der Bundestag per Artikelgesetz beschlossen, die Verstromung der deutschen Steinkohle mit 7,5 Milliarden Mark im Jahr 1996 und dann jeweils sieben Milliarden Mark in den Jahren 1997 bis 2000 zu subventionieren. Nachdem das Bundesverfassungsgericht den Kohlepfennig jedoch für verfassungswidrig erklärt hatte, ist völlig unklar, ob die Kohle für die Kohle durch eine Energiesteuer oder durch Einsparungen im Haushalt beschafft werden soll.
Während große Teile der CDU eine Art Energiesteuer befürworten, verweigert sich die FDP jeglichen Plänen über zusätzliche Steuern. Der nordrhein-westfälische FDP-Landesvorsitzende Joachim Schultz-Tornau hat den Streit darüber inzwischen zur Koalitionsfrage hochstilisiert: „Das ist für uns ein ganz entscheidender, nicht verhandelbarer Punkt.“ Als „dummes Zeug“ wertete gestern der Sprecher der IG Bergbau und Energie (IGBE), Norbert Römer, die FDP- Position. Jeder wisse doch, daß aus dem Bonner Haushalt die notwendigen Summen nicht zu bekommen seien.
Weiter offen bleibt nach dem gestrigen Gespräch auch die Zukunft der Kokskohlenhilfe, die der Staat den Stahlunternehmen zuschießt, damit die ihren Stahl nicht mit dem billigen Importkoks kochen – 3,19 Milliarden Mark im Jahr 1993. Zwei Drittel davon trug bisher der Bund, ein Drittel die Kohleländer Nordrhein-Westfalen und Saarland. Jetzt will die Bundesregierung nur noch die Hälfte dieser Last tragen. Nordrhein- Westfalen müßte dann rund 400 Millionen Mark und das Saarland gut 200 Millionen Mark zusätzlich aufbringen. Doch diese beiden SPD-regierten Länder gehen schon jetzt am Stock.
SPD-Chef Rudolf Scharping hatte in jüngster Zeit mehrfach erklärt, die SPD werde in neue Konsensgespräche erst dann eintreten, wenn Ersatz für den verfassungswidrigen Kohlepfennig geschaffen sei. Dieses Junktim bezeichnete der Bonner CSU-Chef Michael Glos gestern als „unverschämte Form der Erpressung“.
Gegen die Bonner Kohlepolitik will jetzt die Gewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE) eine „totale Mobilisierung“ starten. Schon am Montagabend beteiligten sich nach Angaben der Gewerkschaft 50.000 Menschen in Nordrhein- Westfalen und im Saarland an Demonstrationen und Mahnwachen. IGBE-Sprecher Römer spricht inzwischen von einer „hemmungslosen Hetzkampagne gegen Bergbau und Bergleute“. Die Gewerkschaft plant jetzt einen zweiwöchigen „Marsch auf Bonn“, der am 27. April in einer großen Demonstration enden soll. Walter Jakobs
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen