: Wahre Liebe, lebensrettend
Patricia Rozemas „When Night is Falling“ (Wettbewerb) ■ Von Thomas Winkler
Es waren die ersten steil aufgerichteten Brustwarzen der Filmfestspiele im Gegenlicht, aber das war dann auch schon das einzige Sensationelle an „When Night is Falling“. Von den handelsüblichen Turnübungen in brokatschwerer Bettwäsche unterschied es sich nur insofern, als sie von zwei Frauen veranstaltet wurden.
Camille ist Christin und Professorin für Mythologie an einem protestantischen College. Deshalb erzählt sie auch die Geschichte von Amor und Psyche, vom Bruch des Tabus, daß sich die Götter nicht mit den Menschen paaren dürften, während Petra an ihrem BH herumfingert. Es folgt der Weichzeichner. Davor und danach ist Seelenpein, ist Lösen aus der Heterobeziehung mit Martin, sind verständnisvoll-verlogene Gespräche mit dem Reverend des Colleges, sind die Probleme des Zirkus, in dem Petra arbeitet.
Als Petra und Camille das erste Mal miteinander schlafen, wird dazu parallel die Zirkus-Übung von zwei Frauen, die sich auf einem Trapez kunstvoll ineinander verknoten, montiert. Während Martin typisch männlich verlottert im emotionalen Showdown umhertapert, springen die beiden Frauen nach ihrer lakenwühlenden Liebesnacht frisch gefönt und gepudert aus dem Bett. Während die Institution Kirche, repräsentiert durch das College, eine prinzipiell nur tagsüber stattfindende, verlogene Einrichtung ist, deckt den Zirkus gerne die heimelige Atmosphäre der Nacht zu. Die Menschen dort sind ganz toll aufgeschlossen, ganz toll ausgeflippt und trotzdem ganz toll freundlich und tolerant. Und am Ende rettet die wahre Liebe natürlich das Leben. Außerdem ist lesbischer Sex vor allem ganz besonders zärtlich – das wußte bereits David Hamilton.
Mit „I've Heard The Meremaids Singing“ war Patricia Rozema immerhin noch ein nettes, wenn auch sehr langatmiges Stück Kino gelungen. Aber diese Anhäufung von Klischees ist nurmehr ärgerlich, die verlogene Scheiße stinkt so zum Himmel, daß sie nicht einmal mehr tränendrüsendrückend funktionieren möchte. Da kann auch Hund Bob nichts mehr retten, der gleich zu Beginn einen mysteriösen Tod erleidet, im Kühlschrank zwischengelagert wird und schlußendlich auf einem Eßzimmertisch liegend einen hochwichtigen, wenn auch etwas steifen Auftritt hat. Einen Bären sollte das schon geben für Bob, der im Abspann dann auch noch wie Freddy Krueger selig aus seinem kalten Grab wieder aufersteht – sind wir etwa eineinhalb Stunden lang verarscht worden, ohne es zu merken?
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