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Einmal noch Räucherlachs

■ „The last supper“ von Cynthia Roberts (Panorama)

Bevor der Film anfängt, kommt die Regisseurin aufs Podium. Da steht sie nun, stellt ein Bein hinter das andere, reißt die Augen auf und spricht mit einer atemlosen Kleinmädchenstimme die obligaten Dankesworte. Sie sieht aus, wie ein verschrecktes Kaninchen. Und dann folgt ein Film über den Tod – oder vielmehr: über die Inszenierung eines Todes. Am Ende dauert es Minuten, bis das Publikum wagt zu klatschen.

Der ganze Film spielt in einem einzigen Zimmer. Ein Mann liegt im Bett und schläft. Die Kamera ist lange auf ihn gerichtet, so daß man ausgiebig Zeit hat, den Schläfer zu betrachten. Er trägt eine bestickte Augenklappe, einen wunderbaren Morgenrock und darunter ein orangefarbenes Seidenhemd. Er ist so dünn, daß man kaum glauben kann, daß er noch lebt. Aber man hört ihn atmen und manchmal sogar schnarchen.

Der Theaterregisseur und —schauspieler Ken McDougall starb wenige Tage nach den Dreharbeiten an den Folgen von Aids. In diesem Film spielt er den Tänzer Chris am Tag vor seinem Tod. Sein Freund und Geliebter Val, ein Fotograf, umsorgt ihn und umgibt ihn mit all den Dingen, die sie beide lieben: Bilder, Bücher und Musik. Alles ist von erlesenem Geschmack. Das letzte Abendessen besteht aus Räucherlachs und Ratatouille. Nach dem Essen kommt der Arzt, Dr. Parthen, ins Zimmer und unterrichtet Val in gemessenen Worten davon, wie Chris seinen Tod zu begehen wünscht. Es ist eine genau festgelegte Zeremonie: wie sich Val neben ihn aufs Bett legen soll, die Musik, der Zeitpunkt, an dem der Arzt Chris die tödliche Spritze geben wird. Und so geschieht es dann auch.

Es könnte unerträglich sein, diesem todkranken Schauspieler zuzusehen, der einen Filmtod inszeniert. Aber es läßt sich nicht leugnen, daß McDougall seinen Part mit großer Würde spielt. Zwangsläufig läßt er die anderen beiden Personen, Val und den Arzt, sentimental und unbeholfen aussehen. Es ist so unwichtig, daß ihre Trauer echt ist — angesichts dieses Todes wirkt sie unweigerlich billig, fast unangenehm. Val und der Arzt sehen neben dem Toten aus wie Fälschungen, wie billige Kopien eines sehr kostbaren Gegenstandes.

Sie sind mitleiderregend. Ich habe das als Tragödie empfunden. Anja Seeliger

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