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Baby Halbstark

■ Serienkiller und -kucker, alle aus demselben Holz: Bertrand Taverniers „L'appÛt“ im Wettbewerb

Ich bin inzwischen zu der Überzeugung gelangt, daß der diesjährige Wettbewerb vom Radio gesponsort wurde. Oder noch besser: vom Erzfeind, dem Fernsehen, das in diesem Jahr gleich zweimal so dilettantisch angegriffen wurde, daß es einem nur noch wie eine besonders geschickte Vorwärtsverteidigung vorkommen kann. Während „Quiz Show“ das Fernsehen als den übermächtigen Hort der Korruption aufbaute, der weit über Washington thront, ist es bei Bertrand Tavernier das schleichende süße Gift, das Abend für Abend die französische Jugend gefährdet. „Scarface“ kucken die lieben Kinderlein, Kaugummi kauen sie, und natürlich hören sie die Schreie ihrer Opfer nicht, weil sie entweder einen Walkman auf dem Kopf haben oder einen Trickfilm in HDTV kucken müssen.

Daß Serienkiller und Serienkucker aus demselben Holz geschnitzt sind, wissen wir bis zum Überdruß; aber diese hier sind nicht „natural born“, sondern gezüchtet, und raten Sie, von wem? Vom Amerikaner natürlich; die Kinder wollen nichts dringender, als nach Amerika gehen, wo einem „nicht dauernd das Gesetz im Gesicht ist“. Man muß sich wirklich langsam Sorgen um die europäische Westbindung machen.

Nathalie ist der Lockvogel, eine kleine Lolita, die auf Anwälte etc. angesetzt wird, um sie zu verführen. Aber es stellt sich heraus, daß sie nie den Safe haben, nach dem sie aussahen. Dafür müssen sie natürlich gequält werden. Einer von Natalies Helfer-Freunden wird von einem Opfer noch angesprochen: „Du bist doch auch Jude, wie ich. Du wirst doch keinen Bruder töten?“

Aber, wie gesagt, wir lassen uns nicht lumpen und wissen genau, daß dieser Wettbewerb, dessen letzter Film das glücklicherweise war, vom Fernsehen gesponsort wurde (wie übrigens auch dieses Machwerk von Bertrand Tavernier) und rufen hiermit laut und nachdrücklich nach der Fernbedienung: Zapp und ab. mn

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