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■ Zur Krise der israelisch-palästinensischen VerhandlungenGefährliche Stagnation

Die derzeitige Stagnation bei den israelisch-palästinensischen Autonomieverhandlungen, die bereits seit einem halben Jahr auf der Stelle treten, ist ausgesprochen gefährlich. Unter den Palästinensern gerade auch in der Westbank, die zunehmend den Eindruck haben, der Friedensprozeß habe ihnen bisher nichts gebracht, ist die Enttäuschung und Frustration groß; ein nichtiger Anlaß kann hier schnell in einer neuerlichen sozialen Explosion münden. Hinzu kommt, daß sich in beiden Gesellschaften, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, die Stimmen mehren, den Friedensprozeß auszusetzen und einer Neubewertung zu unterziehen. Selbst Persönlichkeiten wie Haidar Abdel Shafi, der ehemalige Leiter der palästinensischen Verhandlungsdelegation, haben für eine Aufkündigung der Gespräche gestimmt.

Der israelische Ministerpräsident Jitzhak Rabin und PLO-Chef Jassir Arafat, die an der Fortsetzung des Prozesses festhalten, stehen also unter enormem Druck. Das gilt vor allem für Arafat, von dem Israel verlangt, verschärft gegen radikale palästinensische Islamisten und somit gegen die eigenen Leute vorzugehen. Hinzu kommt, daß Arafat angesichts der permanenten israelischen Blockaden kaum noch nachvollziehbar vertreten kann, warum er weiter an den Verhandlungen teilnimmt. So gesehen ist es bereits ein Erfolg, daß der Prozeß auf offizieller Ebene aufrechterhalten wird und es weiterhin zu Begegnungen in Erez, Paris oder Kairo kommt. Doch dieses Spiel endlos fortzusetzen würde bedeuten, Ereignisse in Kauf zu nehmen, die den Prozeß auf einer ganz anderen Ebene in Frage stellen können.

Derzeit entlädt sich die Frustration der Palästinenser in der Westbank durch eine dramatische Zunahme an sozialer Gewalt und Aggression untereinander. Das reicht vom Verhalten im Straßenverkehr bis zu Schülern, die im Streit ein selbstgebasteltes Gewehr aus der Tasche ziehen, von Schutzgelderpressungen desorientierter Intifada-Jugendlicher zu einem allgemeinen Anstieg von Kriminalität und Drogenkonsum. Angesichts der tiefgreifenden Verunsicherung und Sorge, was die Zukunft bringen mag, reicht ein Funke, um eine ziellose Welle von Protest und Gewalt auszulösen. Auch der Palästinenseraufstand im Dezember 1987 hat mit einem Autounfall begonnen.

Israelische Kompromißangebote, wie die Stadt Jenin im Norden der Westbank in die Autonomie mit einzubeziehen, reichen da nicht aus. Dies würde palästinensische Befürchtungen nähren, Israel ziele auf eine Fragmentisierung der Westbank und eine Art „Bantustan“-Regelung für die Palästinenser ab. Ohne einen schnellen, entscheidenden Durchbruch in der Frage des israelischen Teilrückzugs aus der Westbank und Wahlen zu einem palästinensischen Autonomierat ist der Friedensprozeß ernsthaft bedroht. Insofern handelt es sich bei der gegenwärtigen Stagnation um die schwerste Krise überhaupt seit dem Osloer Abkommen vom September 1993. Beate Seel

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