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Dann lieber Dortmund

Borussia Dortmund verlor eine Halbzeit lang die Fassung, gewann aber doch mit dem „Glück des Tüchtigen“ 2:1 gegen den 1. FC Köln  ■ Aus Dortmund Thomas Lötz

Man muß wirklich hoffen und beten, daß das Thema am 17. Juni dieses Jahres so gegen 17.15 Uhr endlich durch ist, Michael Zorc aus den Armen des ebenfalls strahlenden Egidius Braun die Meisterschale in Empfang nimmt und die Kumpels vom Borsigplatz nach langem, hartem Arbeitskampf und hunderttausend Jahren des Wartens auf eine Deutsche Meisterschaft, abseits natürlich von den ungezählten Auszeichnungen für artgerechtes Taubenzüchten, freudig erregt mit ihren Grubenhelmen winken. Wer sich für dieses Ziel nicht einsetzt, der ist entweder gemein, blöd, ein Werderaner oder ein Schalker.

Solche Leute wollen natürlich, daß Figuren wie Rehhagel, Herzog, Eilts, Lemke, Votava und der Suuuupaaa-Mario noch einmal die Finger an die Schüssel kriegen, bevor sie dann endgültig zu einem Wanderpokal zwischen Dortmund und München (da sind Rehhagel und Herzog wieder mit dabei) verkommt. Dann schon lieber gleich Dortmund! Dachte sich am Samstag auch die Lizenzspielermannschaft des 1. FC Köln, wenigstens in der ersten Halbzeit. Da ließen sich die mit häßlich blauen Karnevals-Auswärts-Trikots verkleideten Kölner artig von den Dortmundern in der Gegend herumschubsen: ein bißchen mit dem Plastiksäbel rasseln, ein bißchen mit dem Vollholzgewehr drohen, bloß nicht richtig einschreiten und das Ganze als Bundesligaspiel ernst nehmen.

Das wollten aber auch die Dortmunder nicht so recht. Sonst hätte es ganz locker eine Wiederholung des 6:1-Hinspieltriumphes der Borussia geben können. So aber entwickelte sich zu Beginn des zweiten Durchgangs ein komplett anderes Spiel. In der 55. Minute beging der schwächste Dortmunder, Manndecker Martin Kree, ein Handspiel im Strafraum, und Toni Goalster verwandelte seinen dritten Elfmeter in dieser Saison zum 2:1-Anschlußtreffer. Mit einem Schlag war die „Alaaf“-Blockade aus den Kölner Köpfen, die Freiheit des Bewußtseins, nichts mehr verlieren und möglicherweise etwas gewinnen zu können, schien Raum zu greifen. Endlich begannen sie, die Worte ihres Trainers umzusetzen: „Nur wenn man Mumm hat, kann man nach vorne, kann man Fußball spielen.“

Dortmund drohte das Spiel aus den Händen zu gleiten. Die Borussia kam mit der überraschenden Leidenschaft, die der FC jetzt ins Spiel brachte, überhaupt nicht zurecht. Das Forechecking machte ihr gehörig zu schaffen, und obwohl Matthias Sammer und Andreas Möller sich bemühten, die Kontrolle über das Spiel wiederzugewinnen: Sie konnten die nervöse Unruhe nicht bezwingen. Die Fehlpässe häuften sich, und das Publikum ließ sich anstecken. Es raunte, manchmal pfiff es sogar, als es mitansehen mußte, wie seine Borussen im Angriffsspiel der Kölner ins Leere liefen.

Das Spiel wurde ruppiger, auch, weil die Dortmunder mit der alten „Italiener-Methode“ versuchten, sich Auszeiten zu verschaffen, die Zeit verstreichen zu lassen und damit den Spielrhythmus der Kölner zu brechen. Klos brauchte Stunden beim Abschlag. Sammer, Möller und Riedle ließen sich bei fast jedem Körperkontakt fallen. Die Stimmung, die nicht da war, kehrte sich jetzt gegen die zugegebenermaßen nicht immer fair kämpfenden Kölner und dann auch gegen Schiedsrichter Edgar Steinborn. Der vergaß, Rico Steinmann für ein übles Foul Gelb zu zeigen, und als er Riedle dann einen klaren Elfmeter verweigerte, da tobte das Westfalenstadion bitterböse und zu Recht. Endlich hatten die Leute auf den Tribünen den Sinn in diesem Spiel wiederentdeckt. Pfeifen, natürlich. Jetzt aber nicht mehr gegen die eigene Mannschaft, sondern gegen die immergleichen Gegner: die Auswärtsmannschaft und den Schiedsrichter.

Es half. Borussia fand, der Solidarität seiner Anhänger im Kampf gewiß, die Stabilität wieder. Wenigstens die zum Überstehen des Matches. Und wer so spielt, der wird – und jetzt muß der unselige Vergleich dann doch noch kommen – wie der FC Bayern am Ende auch Deutscher Meister. „Glück des Tüchtigen“ nennt Ottmar Hitzfeld das.

1. FC Köln: Illgner - Hauptmann - Greiner, Thiam (46. Baumann) - Dziwior (82. Goldbaek), Janßen, Rudy, Steinmann, Weiser - Polster, Labbadia

Zuschauer: 42.800;

Tore: 1:0 Tretschok (2.), 2:0 Chapuisat (32.), 2:1 Polster (55./Handelfmeter)

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