: Mexiko jubelt: ein Salinas im Knast
■ Bruder des mexikanischen Ex-Präsidenten Salinas verhaftet / Neuer Befreiungsschlag Ernesto Zedillos
Mexiko-Stadt (AFP/rtr/AP/taz) – Unter dem Verdacht der Anstiftung zum Mord ist am Dienstag abend Raul Salinas de Gortari, der Bruder des ehemaligen Staatspräsidenten verhaftet worden. Generalstaatsanwalt Pablo Chapa Bezanilla ist überzeugt, mit ihm den Drahtzieher des Mordes am Generalsekretär der Regierungspartei PRI, Franzisco Ruiz Massieu, gefunden zu haben. Ruiz Massieu war am 28. September vergangenen Jahres in der mexikanischen Hauptstadt erschossen worden. Er war bereits das zweite Attentatsopfer aus den Reihen der PRI- Führung gewesen. Im März war Präsidentschaftskandidat Luis Donaldo Colosio im nördlichen Tijuana erschossen worden.
Die meisten MexikanerInnen glaubten nicht an die Einzeltäter- Variante, die im Fall Colosio zu einer recht zügigen Verurteilung des noch am Tatort verhafteten Schützen geführt hatte. Tatsächlich verdichteten sich Gerüchte über innerparteiliche Verschwörungen: Sowohl Colosio als auch Ruiz Massieu galten als Erneuerer, die die Partei demokratisieren wollten – gegen den Willen der reaktionären Hardliner.
Gute Verbindungen zu jenen Kreisen werden dem jetzt verhafteten Raul Salinas nachgesagt. Der 48jährige Unternehmer hatte seit Jahren in Partei und Regierung immer wieder Funktionen übernommen. Als Bruder des ehemaligen Präsidenten gehört er zu den führenden Köpfen der politischen Klasse Mexikos. Er soll in Kontakt mit dem – schon vor Monaten untergetauchten – ehemaligen PRI- Abgeordneten Manuel Muñoz Rocha gestanden haben.
Und auch wenn noch nicht bekannt ist, was die Staatsanwaltschaft eigentlich gegen Salinas in der Hand hat: Allein die Tatsache, daß es diesmal einen „von ganz oben“ erwischt hat, hebt schon die Popularität des Präsidenten Ernesto Zedillo. „Dieser Präsident ist wirklich tapfer, von nun an wird alles besser“, werden Passanten in der Hauptstadt zitiert. Zedillo kann es brauchen. Die Verhaftung Raul Salinas' fällt auch in den Moment eines heftigen Streites zwischen Ex-Präsident und Nachfolger. Carlos Salinas, der sich eigentlich große Chancen auf den Vorsitz der neugegründeten Welthandelsorganisation (WTO) ausgerechnet hatte, machte Zedillo für den Crash des mexikanischen Pesos im Dezember verantwortlich – er habe sich in der Krise völlig falsch verhalten. Zedillo und die meisten MexikanerInnen jedoch sehen die Schuld für die Währungskrise eher bei Salinas, der die notwendige Abwertung des Peso monatelang verschleppt habe, um seine WTO- Kandidatur nicht durch unangenehme mexikanische Wirtschaftsdaten zu gefährden. Und jetzt muß Salinas erst einmal erklären, daß er im Unterschied zum Generalstaatsanwalt seinen Bruder für unschuldig hält, und vor allem, daß er selbst mit alledem überhaupt nichts zu tun hat. Damit ist zwar zur Aufklärung jener Morde noch nicht viel beigetragen, Zedillo allerdings ist politisch endlich wieder obenauf. pkt
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