: Neue Verbotsoffensive gegen kurdische Vereine
■ Innenminister Kanther hält nach Anschlägen auf türkische Reisebüros den „konsequenten Vollzug“ des PKK-Verbots für notwendig / Schnoor: „Ineffektiv“
Bonn (ap/dpa/taz)– Bundesinnenminister Manfred Kanther, CDU, blies gestern zum großen Halali gegen sechs kurdische Vereine, die er für Unterstützerorganisationen der Kurdischen Arbeiterpartei PKK hält. In sechs Bundesländern wurden Wohnungen und Vereinsräume durchsucht. An der Aktion beteiligte Beamte begründeten ihr Vorgehen mit den Worten: „Wir fürchten die Arbeiterpartei Kurdistans wie der Teufel das Weihwasser.“ Die PKK sei derzeit die „gefährlichste Organisation“ in der Bundesrepublik.
Das Kurdistan-Informationsbüro (KIB) in Köln wurde aufgelöst, ebenso dessen Berliner Dependance. Das Kölner Büro galt dem Innenministerium als Pressestelle der PKK. So wies Kanther in seiner Verbotsverfügung darauf hin, daß das KIB unter anderem am 22. März 1994 eine Erklärung der PKK-Organisation Ernk veröffentlicht habe, wodurch das in Deutschland bestehende Betätigungsverbot mißachtet worden sei. Auch eine Stellungnahme des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan sei verbreitet worden.
Die Polizei beschlagnahmte Computer, Kopierer, Telefaxgerät und Kisten mit Propagandamaterial. Bei der Durchsuchung der Wohnung eines KIB-Gründungsmitglieds seien sieben Kartons mit PKK-Fahnen und eine Pistole sichergestellt worden, hieß es im Innenministerium. Bei der KIB handelt es sich nach eigenen Angaben um eine Nachfolgeorganisationen des Kurdistan-Komitees, welches im November 1993 aufgrund des Verbots der PKK aufgelöst worden war.
Während Kanther mitteilte, das KIB sei im Einvernehmen mit allen Bundesländern aufgelöst worden, stellte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Schnoor, SPD, klar, er habe lediglich juristisch nichts zu beanstanden gehabt. Allerdings halte er die Aktion für ineffektiv: „Die PKK wird deshalb aber keine einzige Straftat weniger begehen“, meinte Schnoor. Wichtiger als Verbote in Deutschland sei die Verbesserung der Menschenrechtssituation in der Türkei. „Ich hätte es für sinnvoller gehalten, wenn die Bundesregierung die Waffenlieferungen in die Türkei weiter ausgesetzt hätte“, sagte Schnoor.
Der Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte ebenfalls Kanthers Vorgehen: Mit dem Verbot ganzer Vereine „aufgrund vager Vermutungen“ werde kein einziger Anschlag verhindert. Die Verbote hätten vielmehr zur Folge, daß „verständigungsbereite Menschen ausgegrenzt und in die Illegalität gedrängt“ würden, erklärte Özdemir in Bonn.
Ganz auf Kanthers Kurs segelte der Bayerische Innenminister Günther Beckstein, CSU. Er verbot fünf kurdische Vereine in Ingolstadt, Nürnberg und München. Sie hätten öffentliche Veranstaltungen für die PKK abgehalten, deren Propagandamaterial verteilt und für sie Spenden gesammelt, begründete Beckstein sein Vorgehen. Bei den verbotenen Vereinen soll es sich um die Komala Kurdistan in München handeln, das Kurdistan-Kultur-Zentrum und das Kurdisch-Deutsche Kulturzentrum in Ingolstadt sowie um das Kurdistan Kunst- und Kulturzentrum und den Kurdisch-Deutschen Kulturverein in Nürnberg.
In der Nacht zum Donnerstag waren in Hannover, Osnabrück und Duisburg erneut Brandanschläge auf türkische Reisebüros verübt worden. Kanther betonte, auch diese Anschläge machten deutlich, wie notwendig der konsequente Vollzug des Verbots der kurdischen Arbeiterpartei PKK und ihrer Nebenorganisationen durch die Länder sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen