■ Reise-Trend: Der Gefühlsechte
Bei etwa sechs Milliarden Weltbevölkerung sind derzeit allenfalls 10 Prozent aller Menschen in der Lage, sich einen Urlaub zu leisten. Doch um diese 10 Prozent wetteifern die Tourismusmacher. Sie und ihre Marketing- Gefolgschaft sezieren den Markt, die Klientel und das Gefühlsleben der „neuen Zeit“. Denn neu muß sie schon sein, damit sich immer wieder neue Trends auf den Markt werfen lassen.
Geradezu hitverdächtig in dieser Beziehung ist das Face-Lifting des Robinson- Clubs der TUI. Bei Robinson hat man nämlich jetzt explizit „Zeit für Gefühle“. Nach den kalten Zeiten, wo sich Reiseveranstalter hauptsächlich um die Konditionen der technischen Verschickung kümmerten, sind sie nun immer mehr um unser seelisches Wohl, unser emotionales Gleichgewicht bemüht. Und sind es nicht genau die Gefühle, die uns immer wieder die Koffer packen lassen, hinaustreiben in fremde Gefilde und uns dann, unerfüllt vom touristischen Schnupperangebot, im posttouristischen Alltag weiter plagen?
Diese geheimsten Schwingungen und Regungen nach Kreativität, Lust, Zärtlichkeit, Flexibilität, Erotik, Freiheit, Offenheit und Erfahrung sind nun endlich in einem Werbekonzept eingefangen: „Zeit für Gefühle“ – das Motto des Robinson- Clubs ist voll aus dem Leben gegriffen. Loslassen, ohne verzichten zu müssen, ist das Versprechen.
Wer trotzdem Schwierigkeiten mit dem Loslassen hat, dem steht als Halt der „Robin“ zur Seite. Ein Freund. Denn der profane Animateur mit seiner penetranten Grinsewelt, der uns reichlich überdreht vorkam, wurde endlich durch ihn, den Freund, ausgetauscht: „Er begleitet mich auf Entdeckungsreise. Er hört mir zu und spricht mit mir.“ Endlich einer! Glaubt man dem neuen Robinson-Katalog, findet Robin es „abwertend, wie ihn viele bisher nannten: Animateur. Obwohl in diesem Wort Anima, die Seele, vorkommt, haftet daran das Vorurteil des Zwanges“. Doch, Gott sei Dank, im Club gilt fürderhin „immer wollen, nie müssen“. Dazu ein bißchen Placebo-Ökologie, Sport von Golf bis Reiten, Gesundheit von Aerobic bis Ayurveda und Meditation – alles fließt in sich, um sich und durcheinander in dieser nicht ganz billigen, „erträglichen Leichtigkeit des Seins“.
Angesichts solcher touristischer Highlights lassen wir auf den Reiseseiten Marketing- und Freizeitforscher zu Wort kommen: Professor Jürgen Kleiber-Wurm, Geschäftsführer eines Marketingbüros und Produzent des Robinson-Images, entwirft einige fragmentarische Skizzen aus dem Erfolgskästchen der Trendforschung. Professor Gerhard Schulze, Verfasser des Standardwerks „Die Erlebnisgesellschaft“, bedenkt den Zustand des Reisefiebers, und Freizeitforscher Horst W. Opaschowski benennt die geheimsten Wünsche der Deutschen Edith Kresta
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