■ Mit Bankgerüchten auf du und du: Außer Kontrolle
Berlin (taz) – In Bankerkreisen kursiert in den letzten Tagen ein Gerücht: Der König von Brunei hat bei den riskanten Termingeschäften der britischen Barings Bank und damit auch beim Zusammenbruch des Traditionshauses seine Finger im Spiel gehabt. Nicht umsonst sei der Verursacher der Pleite, Nick Leeson, mit einem Flugzeug der dortigen Fluggesellschaft geflogen, munkelt man.
Was dem 28jährigen Finanzjongleur, der mit seinen Wetten auf den Nikkei-Index den Bankrott seines Arbeitgebers auslöste, nun wirklich vorzuwerfen ist und wer gegebenenfalls mit auf der Anklagebank sitzt, weiß zur Zeit noch niemand. Hat er sich nur verspekuliert – was strafrechtlich nicht zu beanstanden wäre, wenn diejenigen, für die er die Geschäfte erledigte, Bescheid wußten? Oder hat er Papiere gefälscht, wie ihm jetzt die Ermittler aus Singapur vorwerfen?
Schon im letzten Sommer hatte ein bankinternes Gutachten gewarnt, daß die Kontrolle der Angestellten in Singapur nur sehr unzureichend war, schreibt das Wall Street Journal. Auch Leesons Position wurde dort kritisch beleuchtet, weil er zugleich für den Handel als auch für die Abwicklung der Geschäfte verantwortlich war. Eine solche Position darf es nach britischem Bankrecht gar nicht geben; in Singapur allerdings ist sie bisher noch nicht verboten. Aber Leesons Aufgaben wurden auch nach diesem Gutachten nicht auf mehrere Schultern verteilt. Niemand kontrollierte die Richtigkeit dessen, was er zur Zentrale nach London kabelte. Angeblich meldete Leeson seinen Vorgesetzten regelmäßig, daß er sich weiter ausschließlich mit Transaktionen beschäftige, die die Preisunterschiede der verschiedenen Börsen in der Region ausnutzten – ein Geschäft, mit dem er der Barings Bank 1993 über 20 Millionen Dollar bescherte. Er vermeldete außerdem, daß er die Geschäfte stets mit anderen Kontrakten absichere. Offenbar glaubte man ihm in London – und wagte nicht, ihn zu kontrollieren, weil andere Banken bereits ein Auge auf den jungen, als höchst begabt geltenden Finanzmanager geworfen hatten. Selbst als bei der Barings-Zentrale Kassandrarufe eingingen, soll man sie abgewehrt haben und auf die Handels- und Abwicklungsberichte aus Singapur hingewiesen haben – die sämtlich von Leeson stammten.
Die Staatsanwaltschaft in Singapur ermittelt gegen Leeson wegen des Verdachts auf Betrug und Untreue. Für jeden einzelnen Betrugsfall drohen ihm bis zu sieben Jahre Haft, schreibt die in dem asiatischen Stadtstaat erscheinende Business Times. aje
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