: Hinterbänkler schmettern ab
Der Beraterstab von Premierminister John Major hat einen ambitionierten Plan für eine ökologische Steuerreform in Großbritannien vorgelegt ■ Von Ralf Sotscheck
Green Tax – so heißt die Zauberformel bei den britischen Parteien. Die liberalen Demokraten basteln an einem detaillierten Manifest für eine ökologische Steuerreform, und die Labour Party hat versprochen, „umweltschädigenden Aktivitäten“ die Gelder zu entziehen, wenn sie an die Macht kommt. Beide Parteien stützen sich auf Schätzungen von Experten, wonach mit Hilfe der „grünen Steuer“ Hunderttausende von Arbeitsplätzen geschaffen werden könnten.
Und die Regierung? Großbritannien hat im Dezember 1993 die UN-Rahmenkonvention zu Klimaveränderungen ratifiziert. Einen Monat später legte Premierminister John Major seine Strategie vor, um den Ausstoß von Treibhausgasen, insbesondere Kohlendioxid, bis zum Jahr 2000 wieder auf das Niveau von 1990 zurückzuschrauben. Geplant war die Erhebung von Mehrwertsteuern auf Heizmaterialien, eine fünfprozentige Sondersteuer auf Benzin sowie Steuern auf die Privatisierung von Strom und Gas. Das eingenommene Geld sollte in ein Stromsparprogramm fließen. Außerdem wurden strengere Richtlinien für die Isolierung von Neubauten erlassen. Doch schon die Erhebung von Heizstoffsteuern ging schief: Im letzten Dezember haben rebellische Tory-Hinterbänkler die Gesetzesvorlage abgeschmettert.
Im Haushaltsplan vom November ist außerdem eine Sondersteuer für die Zuschüttung von Müllkippen vorgesehen. Damit will man Abfallbeseitigungsfirmen dazu bringen, umweltfreundlichere Methoden – wie zum Beispiel Recycling – anzuwenden. Bis es soweit ist, wird die neue Steuer dem Staatssäckel umgerechnet mindestens eine Milliarde Mark im Jahr einbringen.
Majors Beratern geht das alles jedoch nicht weit genug. Die fünfköpfige Kommission, die Major in einem Anflug von Enthusiasmus nach dem Umweltgipfel von Rio 1992 einberief, hat jetzt ihren ersten Bericht vorgelegt. Darin wird die Regierung zwar für die Müllsteuer gelobt, doch die Autoren – darunter Sir Crispin Tickell, der frühere UN-Botschafter, sowie Sir John Houghton von der Königlichen Kommission für Umweltverschmutzung und Lord Selbourne aus Majors Beraterstab für den Naturschutz – fordern eine umfassende Steuerreform, um „die Art, wie die Gesellschaft funktioniert, radikal zu verändern“. Als Fernziel sollen die Ökosteuern schließlich sogar die Einkommenssteuer ablösen.
„Umweltfaktoren müssen auf allen Ebenen beim Entscheidungsprozeß eine zentrale Rolle spielen“, sagte einer der Berater, „aber wir müssen die Balance zwischen Umweltregulierung und den freien Marktkräften finden“. Die konventionellen Steuern, so heißt es in dem Bericht, sollen schrittweise durch Steuern auf den Verbrauch von Energie und Bodenschätzen ersetzt werden. Das heutige System lasse nämlich Umweltschäden und Raubbau an Bodenschätzen außer acht. So deckten die Kraftfahrzeugsteuern weder die geschätzten Kosten für die Luftverschmutzung durch Abgase, noch die Landschaftsschäden durch den Bau neuer Straßen ab.
Die Kommission empfiehlt der Regierung, umgehend Pläne für „grüne Steuern“ auf Transport, Energie und weitere Industriebereiche zu erstellen. Darüber hinaus befürwortet der Bericht ausdrücklich eine EU-weite CO2-Steuer. Die EU-Mitgliedsländer hatten sich schon in Rio darauf geeinigt, die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2000 notfalls auch mit steuerpolitischen Mitteln zu stabilisieren. Aber in Brüssel ist dieses Projekt auf Eis gelegt – nicht zuletzt wegen des unerbittlichen Widerstands der britischen Regierung. Dieses Schicksal wird wohl auch der ambitionierte Kommissionsbericht ereilen: Er wird in einer Regierungsschublade verschwinden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen