: Ein Bild fürs Vorbild
■ Fünf Migrantinnen erhielten den erstmalig verliehenen Frauenpreis für Zivilcourage
„Mein Herz schlägt für Osterholz-Tenever“, sagt Öznur Ulukök. Vor 22 Jahren kam sie aus der Türkei nach Bremen, wo sie, wie in der alten Heimat, als Grundschullehrerin arbeitet. In ihrer Freizeit unterstützt sie die Familien der Kinder. Öznur Ulukök baute eine Frauengruppe auf, setzt sich für Mädchen ein, die zwischen den Kulturen eine eigene Identität aufzubauen versuchen, und hilft Frauen, die von ihren Ehemännern bedroht werden, ein neues Leben zu beginnen.
Öznur Ulukök erhielt gestern von der Ausländerbeauftragten Dagmar Lill den erstmalig in Bremen verliehenen Frauenpreis. Neben Öznur Ulukök wurden vier weitere Migrantinnen „für ihr interkulturelles Engagement und ihre Zivilcourage“ ausgezeichnet: Die Iranerin Monir Pour Ghannad lebt seit vier Jahren als anerkannte Asylbewerberin in Bremen. Wie die türkische Lehrerin aus Tenever arbeitet auch sie ehrenamtlich an sozialen Brennpunkten. Sie erteilt kostenlos Deutschunterricht, hilft Flüchtlingen beim Verstehen der komplizierten behördlichen Vorgaben und Gesetze. Außerdem ist Monir Pour Ghannad Vorstandsmitglied des Vereins „Yasmin“ und setzt sich da besonders für Mädchen und Frauen ein.
Münever Yasa ist Kurdin aus der Türkei. Sie folgte vor etwa 20 Jahren ihrem Mann nach Bremen und arbeitet als Putzfrau. In ihrer Freizeit unterstützt sie Familien aus der alten Heimat, egal, ob sie nun kurdischer oder türkischer Herkunft sind. „Die Frauen haben damit sowieso kein Problem,“ erklärt die freiwillige Sozialarbeiterin. Münever Yasa hilft Frauen bei Ämtergängen und ist ganz nebenbei noch Kursleiterin in den Bereichen Hauswirtschaft und Gesundheit. „Eine Frau muß kämpfen“, sagt sie und wünschte gestern „allen Frauen dieser Welt viel Kraft“.
Rieda Barnik ist Aussiedlerin und lebte in Sibirien, bis sie vor vier Jahren nach Bremen kam. „Ich mußte weit fahren, um zu erfahren, daß es einen Internationalen Frauentag gibt,“ freute sich die Deutschlehrerin über die etwa 80 Zuhörerinnen unterschiedlichster Herkunft. Bewundernd folgten sie Rieda Barnik bei der Beschreibung eines ganz normalen Tagesablaufes: 8.30 Uhr Standesamt, einer Aussiedlerfamilie bei der die Namensänderung beistehen. Danach beim Vormundschaftsgericht gedolmetscht. Anschließend fünf Stunden Unterricht. Danach Telefonberatung für russische Aussiedler, 18 Uhr Frauengruppe und am Abend Briefe von Menschen erledigt, die sich hilfesuchend an sie gewandt hatten.
Nigin Köseoglu stammt aus der Türkei und kam vor knapp 30 Jahren nach Deutschland. 14 Jahre leistete sie als Springerin bei Nordmende Akkordarbeit. Schon bald engagierte sie sich gewerkschaftlich und wurde zur Vertrauensfrau gewählt. 10 Jahre lang war sie in der Weiterbildung für ausländische Frauen tätig. Heute liegt ein Schwerpunkt ihrer ehrenamtlichen Arbeit in der Betreuung älterer auländischer Frauen. Außerdem kümmert sie sich intensiv um türkische und kurdische Jugendliche, die als schwer erziehbar gelten. Erholsamer dürften die gemeinsamen Reisen sein, die Nigin Köseoglu für ausländische und deutsche Frauen organsisiert. Ihr eindeutiges Statement: „Wenn wir eine bessere Welt wollen, sollten wir in Frauen investieren.“
Dagmar Lill überreichte allen Frauen eine Urkunde und ein Bild. Die Kunstdrucke werden wohl die Wohnzimmer der Frauen schmücken, denn eigene Räume, gar Büros gibt es nicht fürs Ehrenamt. Dagmar Lill: „Den fünf Frauen ist gemeinsam, daß sie ihre Arbeit aus eigener Initiative und – von der Öffentlichkeit bislang unbemerkt und nicht gewürdigt – vor allem dort tun, wo Staat und Gesellschaft versagen oder hinreichende Hilfe nicht geben.“ Der Frauenpreis, den die Ausländerbeauftragte auch im kommenden Jahr wieder ausloben will, soll die Defizite staatlicher Sozialpolitik sichtbar machen. Gleichzeitig hofft Dagmar Lill, auf die 40-50.000 Migrantinnen in Bremen aufmerksam zu machen, und „daß die Öffentlichkeit überhaupt zur Kenntnis bekommt, welch wichtige Arbeit im Stillen von Menschen geleistet wird, die aus fremden Ländern nach Bremen gekommen sind, hier selbst unter harten Bedingungen leben, aber die harten Lebensbedingungen anderer Menschen mildern helfen.“
Dora Hartmann
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