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„Wolkige Geschäfte verhindern“

■ Thomas Krüger, SPD-Mitglied im Bundestags-Innenausschuß, zu Korruption und Bestechlichkeit / Transparenz und Aufklärung sollten Leitlinie der Bekämpfung sein

taz: Herr Krüger, Schmiergeldzahlungen können immer noch von der Steuer als nützliche Aufwendungen abgezogen werden. Mitglieder der Union führen zur Begründung an, es lasse sich keine sinnvolle Grenze zwischen legaler Provision und illegaler Bestechung ziehen. Teilen Sie die Auffassung?

Thomas Krüger: Nein, denn diese Grenzen ließen sich leicht definieren. Man muß es nur wollen, wie etwa in den USA oder in Italien. Dieses wolkige Feld der Korruption, das es auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung gibt, muß gelichtet werden. Das ließe sich erreichen, indem man die Strukturen transparent macht.

In den USA ist nicht nur die Bestechung von Geschäftspartnern im Inland, sondern auch die im Ausland verboten. Bonner Politiker argumentieren, mit einer analogen gesetzlichen Regelung würden die Exportchancen der bundesdeutschen Industrie erheblich beeinträchtigt.

Diese Haltung in Bonn macht eine Doppelmoral sichtbar. Die Behauptung der reichen Länder, daß sie dann keine Exportchancen mehr hätten, kann ich nicht nachvollziehen. Ich sehe zwar, daß die Frage nach der Beweisbarkeit von Bestechung im Ausland problematisch ist. Aber über verbindliche internationale Regelungen und über eine überstaatliche Vernetzung bei der Verfolgung von solchen Verdachtsmomenten ließe sich dieses Problem in den Griff kriegen. Die Bundesregierung ist hier leider säumig.

Mit welchen Instrumentarien wollen Sie gegen die Bestechung im In- und Ausland vorgehen?

Wir brauchen in diesem Bereich ein umfassendere gesetzliche Regelung. Man kann die Frage der steuerlichen Absetzbarkeit von Schmiergeldzahlungen nicht allein diskutieren. Sie muß im Gesamtpaket der Korruptionsbekämpfung thematisiert werden. Wir müssen zur Korruptionsbekämpfung in den Verwaltungen Rahmenbedingungen schaffen, von einem normalen Controlling durch die Rechnungshöfe bis hin zur besseren Ausstattung der Kriminalpolizei und der Steuerfahndung. Sie müssen sehen, daß zum Beispiel eine Vorteilsnahme sofort dazu führt, daß „Schwarzgeld“ entsteht. Das wird dann oft an der Steuer vorbeigebracht und über dunkle Kanäle wieder in den Investitionsbereich gesteuert. Hier zeigt sich schon, daß man mit einem Verbot der steuerlichen Abzugsfähigkeit allein nicht weiterkommt.

Wo soll denn Ihres Erachtens die Grenze zwischen legaler Provision und illegaler Schmiergeldzahlung gezogen werden?

Wir müssen lediglich den Begriff der unbilligen Vorteilsnahme einführen, um die Linie zwischen Provision und Schmiergeld zu ziehen. Wenn Geschäftsleute über eine vertraglich vereinbarte Provision hinaus Gelder in die eigene Tasche stecken, dann ist der Punkt erreicht, an dem die Bremse gezogen werden muß. Und ob überhöhte Provisionen Schmiergeldzahlungen verdecken sollen, ließe sich durch Querschnittsvergleiche der prozentuellen Provisionshöhen in den einzelnen Branchen ermitteln.

Der Wähler wird Ihre Argumentation sicher gerne nachvollziehen. Nicht nachvollziehbar dürfte ihm aber sein, daß die Bestechung von Abgeordneten nicht strafbar ist. Wer seine Stimme gegen Geld abgibt, kann zwar belangt werden. Aber jede andere Form der Annahme von Vergünstigungen oder Vorteilen bleibt ohne Konsequenzen. Daß dieses auch noch damit begründet wird, daß der Abgeordnete nur seinem Gewissen – und sonst niemandem – verpflichtet ist, dürfte es nicht besser machen.

Die Freiheit der Abgeordneten darf nicht, sie muß aber auch gar nicht eingeschränkt werden. Sie ist nicht tangiert, wenn man die unbillige Vorteilsnahme unter Strafandrohung stellt. Wer Korruption bekämpfen will, muß auch die politischen Akteure unter Kontrolle stellen. Mein Vorschlag: Auch für die Abgeordneten entsprechende Straftatbestände einführen. Allerdings darf die Kommunikatorenfunktion der Parlamentarier nicht eingeschränkt werden. Wenn ein Unternehmer zugunsten eines Sozial- oder Jugendvereins spenden oder Kultur sponsern will, dann muß dies rechtens sein – solange er dabei nicht selber profitiert.

Früher oder später stößt man auch auf den Bereich der direkten und indirekten Parteispenden. Bei Parteispenden sollten Spenden juristischer Personen verboten werden, denn letztlich gibt es hier immer ein Interessensgeflecht zwischen Unternehmen, den Parteien und anstehenden Verwaltungsentscheidungen. Im Gegenzug müßte den Parteien das Geld, das sie benötigen, über den öffentlichen Haushalt zur Verfügung gestellt werden. Das ist sicher ein unbequemer Schritt. Aber nur so kann man wolkige Geschäfte zwischen Parteien und Unternehmen ausschalten. Anderes gilt bei Spenden natürlicher Personen. Sie sollten aber ab einer bestimmten Summe – ich denke da an 5.000 Mark – öffentlich ausgewiesen werden müssen.

Lobbyismus findet nicht nur über Parteispenden statt. Häufiger sind doch Beratertätigkeiten von Politikern, Sitze in Aufsichtsräten und Vorständen und so weiter.

Die Anzahl von Aufsichtsräten für Politiker sollte unbedingt begrenzt werden. Nicht nur, weil sich sonst wirtschaftlicher und politischer Einfluß unkontrolliert bündeln kann. Genauso wichtig ist auch, daß Aufsichtsräte schließlich die Pflicht haben, die Unternehmenstätigkeit zu kontrollieren. Dieser Aufgabe kann man nicht gerecht werden, wenn man in zehn oder mehr Gremien sitzt. Eine Begrenzung wäre auch ein Signal, daß das Instrument Aufsichtsrat wieder gestärkt wird. Ein Ehrenamt oder eine Belohnung für Verdienste darf ein Aufsichtsratmandat auf keinen Fall sein.

Ein großes Unternehmen will sich in einer kleinen Kommune ansiedeln. Die Firma bietet an, der Gemeinde ein Schwimmbad zu stiften, wenn im Gegenzug das Planfeststellungsverfahren im Unternehmensinteresse abgeschlossen wird. Korruption?

Derartige Entscheidungen in den Kommunen dürfen nur mit größter Transparenz fallen. Wenn ein Konkurrent ein besseres Angebot machen kann, müssen Kommunen und Parlamente entscheiden können, welche Wege sie gehen wollen. Eine Kommune muß ja nicht immer das auf den ersten Blick günstigste Angebot annehmen. Sie kann sich aus bestimmten Gründen, etwa der stadträumlichen Architektur wegen, für ein nicht ganz so lukratives Angebot entscheiden. Ist dabei aber Schmiergeld im Spiel, dann ist die Toleranzgrenze überschritten.

Im Sinne einer Transparenz hat der hessische Datenschützer Winfried Hassemer eine Art „Freedom of Information Act“ angeregt. Der Bürger soll Auskunft und Akteneinsicht im Bereich der öffentlichen Verwaltung erhalten können. Macht die SPD da mit?

Ich kann dieser Idee sehr gut folgen. Dem Bürger sollte soweit als möglich die Informationsfreiheit zukommen. Diese Überlegungen sollten wir weiterverfolgen, unabhängig davon, ob wir schon heute dafür Mehrheiten in den Parteien bekommen. Schließlich sollten Aufklärung und Transparenz die Leitideen bei der Korruptionsbekämpfung werden. Dafür lassen sich auch in der SPD Mehrheiten finden.

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