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■ Press-SchlagBayer – weit der Konkurrenz voraus

Wenn man seiner Zeit sehr weit voraus ist, kann es geschehen, daß einen keiner versteht. Schlimmer noch: daß man sich zum Gespött der Leute macht, weil man nach ihren Maßstäben – antiquierten Maßstäben natürlich – versagt. Niemand im deutschen Fußball weiß das besser als Bayer 04 Leverkusen. Zusammengefaßt sieht die Verhöhnung so aus: Bayer, das ist ein Club, der einem Haufen talentierter Kicker allen Alters unermüdlich erfolglos fette Schecks zusteckt, auf daß sie bitte, bitte endlich das dauerlädierte Image des Werksvereins aufpolieren mögen.

Im Moment ist der Hohn eine echte Gaudi: Viermal nacheinander hat Leverkusen in der Bundesliga verloren. Daß das 1:3 am Sonnabend auch noch gegen den Tabellenletzten VfL Bochum passierte und Leverkusen zwei Spieler wegen absichtlichen Handspiels (Kirsten) und Nachtretens (Schuster) verlor – das war nun ein echter Höhepunkt der Schadenfreude für Wertkonservative. Solche Menschen mithin, die unter Fußball Hingabe auf Rasen und Rängen, Einsatz, Herzblut und Leidenschaft verstehen.

Nur: Jene begreifen nicht, daß es auf all diese rührend ideellen Dinge in Leverkusen gar nicht ankommt. Mag der Dortmunder noch wegen eines Anachronismus namens „großes Gefühl“ ins Stadion gehen! Der Leverkusener nutzt längst das Urich- Haberland-Areal, wie sich das alle vermeintlich cleveren Manager mit Zukunftsorientierung wünschen: als Freizeitangebot, zur Zerstreuung. Sonnabend mittag schlägt Mutter in Leverkusen-Opladen vor, weil sie gern zwei Stündchen Ruhe hätte: „Wollt ihr nicht heute mal zu Bayer gehen?“ Die Kinder freuen sich, denn da gibt es die bunte „Familystreet“ hinter der Tribüne, mit Kino, Popcorn und so. Vater freut sich auch, weil: den Völler sieht er immer wieder gern, den Schuster sowieso. Vorgestern war Vater wohl ein bißchen enttäuscht, weil Schuster früh abtrat. Aber: Wenn der späte Pavarotti einen Jahresvertrag an der Gelsenkirchener Oper unterschriebe, würde man da von ihm verlangen, gemeinsam mit, nun, den „Prinzen“ aufzutreten? Na also.

Zur Demonstration seines Spielvermögens hat das Edel-Ensemble eine internationale Bühne. Und auf der, im UEFA-Cup also, schlägt es sich bis dato atemberaubender als alle Konkurrenten. Morgen tritt Bayer beim FC Nantes an, im Hinspiel wurde der französische Tabellenführer 5:1 an die Wand gespielt. Na bitte. Bei diesen Gelegenheiten kommen die Kicker auch ihrem Auftrag zur Hebung des Klub-Images nach. Gerade hat Manager Calmund nachgerechnet, daß im zweiten Halbjahr '94 die Bayer-Kicker 50 Stunden im Fernsehen zu sehen waren – von insgesamt 0,8 Milliarden Menschen. Buchhaltung, was willst du mehr? Katrin Weber-Klüver

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