piwik no script img

Eine Föderation auf dem Papier

Die „bosniakisch-kroatische Föderation“ feiert heute ihren ersten Geburtstag, ob sie einen zweiten erleben wird, ist jedoch mehr als ungewiß  ■ Aus Zagreb Erich Rathfelder

Wenn sich heute die Präsidenten Kroatiens und Bosnien-Herzegowinas, Franjo Tudjman und Alija Izetbegović, in Washington treffen, wird zum zweiten Mal das Ende eines der fürchterlichsten Kapitel des Krieges in Bosnien bekräftigt. Die beiden Präsidenten werden das genau vor einem Jahr vereinbarte „Washingtoner Abkommen“ feiern, das den „Krieg im Kriege“, den Krieg der bosnischen Kroaten gegen die bosnischen Muslime, beenden half. Doch zugleich müssen sie Sorge tragen, daß das „historische Abkommen“ auch umgesetzt wird.

Zwar wurden vor einem Jahr die Kampfhandlungen zwischen beiden Seiten eingestellt und formell eine „bosniakisch-kroatische Föderation“ gegründet. Viel mehr ist seither jedoch nicht passiert. Weder konnten die Vertriebenen zurückkehren, noch wurden die Kriegsverbrecher bestraft. Sowohl der muslimisch dominierte bosnische Reststaat wie auch der selbsternannte kroatisch-bosnische Staat „Herceg-Bosna“ weigerten sich beharrlich, die Föderation zum Leben zu erwecken.

Die Macht im muslimisch dominierten Restbosnien blieb in den Händen von Izetbegović. Er kontrolliert unumschränkt die Armee und leitet die Verhandlungen mit den internationalen Institutionen. Seine Verbindung zur Föderation hält Haris Silajdžić, der sowohl Ministerpräsident Bosniens wie auch Ministerpräsident der bosniakisch- kroatischen Föderation ist. Der Präsident der Föderation, der zentralbosnische Kroate Kresimir Zubak, hat bisher dagegen in Sarajevo kaum etwas zu sagen. Und das, obwohl er in Personalunion auch der Präsident von „Herceg- Bosna“ ist.

Und dort halten sich diejenigen beharrlich an der Macht, die den Krieg im Kriege zu verantworten haben. Zwar wurde der erste „Präsident“ Herceg-Bosnas, Mate Boban, schon im Dezember 1993 abgelöst, die heutige kroatische Führungsriege liest sich jedoch wie das „Who is Who“ der Kriegstreiber: Der Kommandant von Busovaca ist zum Vorsitzenden der allmächtigen Partei HDZ gewählt worden, der „Säuberer“ von Ćapljina zu seinem Vize. Seinen Satz von 1993 „Wir müssen das Zusammenleben der Nationen in Bosnien-Herzegowina unmöglich machen“ könnten andere Mitglieder dieser Elite unterschreiben. Und auch die kroatisch-bosnische Armee HVO beschützt weiterhin „Herceg-Bosna“ und nicht die gemeinsame Föderation. Kann dies nun alles anders werden? Bei den Gesprächen zwischen den Vertretern beider Seiten vorige Woche in Bonn seien dazu „die Weichen gestellt“ worden, erklärten die Unterhändler. Nun solle endgültig mit der Bildung von Kantonen ernst gemacht werden. Dies ist kein leichter Tobak für die Westherzegowiner Führungsriege: „Herceg-Bosna“ würde dann nämlich verschwinden und in der Föderation aufgehen. Das Hauptkriegsziel der kroatischen Extremisten, nämlich die Stadt Mostar zu teilen und West-Mostar als Hauptstadt Herzeg-Bosnas aufzubauen, müßte aufgegeben werden.

Und es kommt für sie noch schlimmer: Nach dem Washingtoner Abkommen soll Mostar die vereinte Hauptstadt eines gemischten Kantons werden, das sowohl die südlicher gelegenen Gebiete um Ćapljina und Stolac wie auch Teile Zentralbosniens umfassen wird. Gelänge die Umsetzung, wäre die Aufgabe der Administration der EU in Mostar wesentlich erleichtert. Dann könnten wirksame Maßnahmen für den Wiederaufbau der Stadt eingeleitet werden. Die Vertriebenen beider Seiten könnten zurückkehren.

Nach dem Willen Tudjmans und Izetbegovićs soll die Hoheit der Föderation an der Grenze zu Kroatien beginnen, eine gemeinsame Zoll- und Fiskalpolitik soll umgesetzt werden. Die Erhebung von Zöllen war jedoch die Haupteinnahmequelle der westherzegowinischen Elite.

Doch auch muslimische Nationalisten in der in Rest-Bosnien regierenden Partei SDA betrachten den neuerlichen Versuch, das Washingtoner Abkommen umzusetzen, mißtrauisch. Eine Festigung der kroatisch-bosniakischen Föderation würde ihren Traum von einem eigenständigen Muslimstaat zerstören. Darum versuchen beide extremistischen Strömungen, das Mißtrauen, das in der Bevölkerung durch den Krieg erzeugt worden ist, für sich zu mobilisieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen