: SPD-Schutzzone für Kurden
■ Vorerst wird nur aus von der Union regierten Bundesländern in die Türkei abgeschoben
Düsseldorf/München (taz) – Türkische KurdInnen in SPD-regierten Bundesländern können vorerst aufatmen, in Bayern müssen sie bangen. In jenen Ländern, in denen SozialdemokratInnen regieren oder mitregieren, wird der von Bundesinnenminister Kanther aufgehobene Abschiebestopp im Gegensatz zu unionsregierten Ländern zunächst keine Konsequenzen haben. Während die SPD-Innenminister aus Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Brandenburg und dem Saarland gestern ankündigten, den Abschiebestopp für KurdInnen aus der Türkei mindestens bis zum 12. Juni zu verlängern, nannten Schleswig-Holstein, Thüringen und Baden-Württemberg zunächst keine Termine. Auch Düsseldorfs Innenminister Herbert Schnoor (SPD), der in den letzten Tagen wiederholt erklärt hatte, den Länderinnenministern stünde das Recht zu, über die Verlängerung des Abschiebestopps „bis zum 12. Juni ohne Zustimmung aus Bonn frei zu entscheiden“, vermied gestern jegliche zeitliche Festlegung. Während die meisten SPD-Innenminister Schnoors Rechtsauffassung teilen, wiesen Bonner Unionspolitiker und Kanther diese Interpretation als „absolut rechtswidrig“ zurück. Bremen, Sachsen-Anhalt und Hamburg kündigten gestern eine vorläufige Verlängerung bis zum 30. April an. In der nächsten Woche wollen sich die SPD-Minister auf eine einheitliche Linie verständigen. Auch nach der Anhörung des Bonner Parlaments sieht Schnoor, dem die SPD-interne Koordination obliegt, seine „Zweifel an der Einhaltung der Menschenrechte in der Türkei nicht ausgeräumt“.
Der Freistaat Bayern hat sich dagegen bereits entschieden. Im Laufe der nächsten Woche, so Christoph Hillenbrand, Pressesprecher des bayerischen Innenministeriums, gegenüber der taz, werden die ersten Kurden abgeschoben. Hillenbrand bezifferte die Zahl der aktuell zur Abschiebung vorgesehenen Kurden auf „etwa 50 bis 60“. Die Ausländerbehörden würden derzeit über die Aufhebung des Abschiebemoratoriums informiert werden. „Dann haben sie die Kurden abzuschieben, die zur Ausreise verpflichtet sind und keine Rechtsmittel dagegen ergreifen können.“ Schon vor der Anhörung im Bundestag zur Menschenrechtssituation in der Türkei hatte Bayerns Innenminister Günther Beckstein klargemacht, daß die CSU-Staatsregierung strikt gegen eine Verlängerung des Abschiebestopps sei und notfalls im Alleingang handeln werde.
Parallel zu Aufhebung des Abschiebestopps wurden gestern im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen Unterstützer der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK in Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen 14 Objekte durchsucht und Spendenquittungen, Propagandamittel sowie elf Pässe beschlagnahmt. Wie das Landeskriminalamt Baden-Württemberg und die Staatsanwaltschaft Stuttgart mitteilten, wird gegen 18 Beschuldigte ermittelt, die der Spendengelderpressung und der Fortführung einer verbotenen Vereinigung verdächtigt werden. Außerdem wurden in der Nacht auf Donnerstag erneut acht Brandanschläge auf türkische Objekte verübt, für die das Bundesamt für Verfassungsschutz die PKK verantwortlich macht. J.S./B.S. Seiten 2 und 10
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