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Herr von Weizsäcker, helfen Sie!

■ Heribert Sasse eröffnete das Steglitzer Schloßpark-Theater mit viel Brimborium und Shakespeares „Richard III.“

„Richard III.“ steht auf den Plakaten. Der Egomane Heribert Sasse hat wieder zugeschlagen: Bei der Premiere, mit der das Schloßpark-Theater am Donnerstag drei Jahre nach seiner Schließung wiedereröffnet wurde, führte der neue Hausherr Regie und spielte obendrein die Titelrolle. Im frisch renovierten Haus – das genauso aussieht wie früher – hatten sich die Steglitzer zahlreich eingefunden, um ihrem ehemaligen Generalintendanten zu huldigen: Mütter in Lackpumps, Töchter mit Mozartzopf, hochaufgeschossene Söhne im Matrosenjackett. Drei Fernsehteams filmten Pausentratsch und Schlußapplaus. Der fiel jedoch mager aus, einige Ketzer riefen sogar „buh!“ Was war geschehen?

Drei Stunden lang: nichts. Gedungene Mörder, betrogene Betrüger, Mütter, denen man die Kinder erschlagen hat: Sie alle leiern ihre Texte brav und in Zimmerlautstärke herunter, gern mit einer kleinen Pause nach jedem Vers – damit man merkt, daß es gedichtet ist. Sind sie fertig, drehen sie sich um und schreiten gemessen hinweg. Die Inszenierung rinnt dahin. Spätestens ab neun Uhr hört man piepende Armbanduhren und herzhafte Gähner. „Häufig gibt es in Theatern ja Plätze für Seh- und Hörbehinderte“, bemerkt der Zuschauer Hans-Peter Lauenroth in der Pause. „Ich wollte, ich hätte einen seh- und hörbehindernden Platz. Dann würde ich dieses Elend nicht mehr mitkriegen.“

Rostrot gestrichene Wände mit Säulen und zurückgesetzten Eingängen vermitteln die Atmosphäre eines besseren Hotelfoyers im Fahrstuhlbereich (Bühne: Tina Carstens). Die englische Königin nippt an ihrer Teetasse, ihr Sohn spielt Krockett in Knickerbockern, Lord Hastings treibt Morgengymnastik. Familiär, intim und irgendwo auch lustig soll dieser „Richard III.“ sein. So kommt es zu so unmotivierten Peinlichkeiten wie dem penetranten Lispeln der Herzogin von York und der Schnupfennase des Prinzen. Shakespeare total auf den Boulevard zu bringen, traut man sich aber andererseits auch wieder nicht. Deshalb gehen die verwickelten politischen Intrigen fast in voller Länge über die Bühne, ohne auch nur das mindeste Interesse erwecken zu können. Richards nur vorgetäuschte rauhe Gutmütigkeit ist in Sasses Darstellung schon die ganze Rolle. Den skrupellosen, hochintelligenten und ironischen Machtmenschen nimmt man dem jovialen Scherzbold einfach nicht ab.

Die geplanten Projekte des Schloßpark-Theaters reichen von Klassikern über das 19. Jahrhundert bis zu modernen Stücken – eigentlich ein typisches Stadttheater- Programm. Wenn die weiteren Aufführungen ähnlich ausfallen sollten wie der erste Versuch, wäre ein solcher Vergleich freilich kränkend für die Provinz, wo oft viel Engagement und Phantasie zu finden sind. Dann müßte man auch fragen, ob der Senat die knapp zwei Millionen Mark Zuschüsse für das neue Privattheater nicht anderswo besser anlegen könnte.

Aber noch viel mehr, nämlich Dinge von nationaler Bedeutung stehen auf dem Spiel: Heribert Sasse arbeitet bekanntlich mit dem neugegründeten Deutschen Theater in Prag zusammen, wo unter anderem die Schloßpark-Inszenierungen gezeigt werden sollen. Ein Glück, daß Richard von Weizsäcker unter den Premierengästen war und sich rechtzeitig ein Bild machen konnte. Herr von Weizsäcker, schreiten Sie ein! Retten Sie das Ansehen Deutschlands im Ausland! Miriam Hoffmeyer

Weitere Aufführungen heute, 21.-25, 27.-31.3., 20 Uhr, Schloßpark-Theater, Schloßstraße, 48, Steglitz.

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