: Reine Glaubenstat
■ Gestern hat sich die erste deutschsprachige Anti-Sektenzeitschrift "Berliner Dialog" vorgestellt
Spätestens seit das Ausmaß der Aktivitäten der „Scientology- Church“ auf dem Wirtschaftssektor bekanntgeworden ist, steht außer Frage, daß Sekten in unserer Gesellschaft keine Randerscheinung mehr sind. Die Herausgabe eines Mediums, das regelmäßig über Entwicklungen auf dem „Weltanschauungsmarkt“ informiert, ist also längst überfällig.
Berliner Dialog ist die erste Zeitschrift im deutschsprachigen Raum, die in dieser Richtung wirken will. Sie wolle besonders über die religiösen Entwicklungen in Deutschland und im Osten Europas informieren, erklärte gestern der Sektenpfarrer der evangelischen Kirche, Thomas Gandow. In Berlin betätigten sich allein über 500 verschiedene religiöse Gruppen.
Die deutsche Hauptstadt sei zu einer Metropole geworden, über die wesentliche Kontakte der religiösen Gruppen nach Osteuropa hergestellt würden, ergänzte der Sektenpfarrer. Mindestens dreimal jährlich soll die im Berliner Wichern-Verlag herausgegebene Zeitschrift erscheinen. Auf den 44 Seiten der ersten Ausgabe ist das Schwerpunktthema ein Hintergrundbericht über den sogenannten Sonnentempler-Orden, in dessen Umfeld im vergangenen Jahr eine Massentötung stattfand.
In der Rubrik „update“ erscheinen Kurzberichte beispielsweise über den Zusammenhang zwischen der Naturgesetzpartei und der Gurugruppe „Transzendentale Meditation“. Titel wie „Sekteninvasion, Religionsfreiheit und die Aufgaben der Kirchen“ oder „Apologetik – Schädliche Affirmation oder notwendige Diakonie?“ weisen auf den christlichen Hintergrund der Herausgeber hin. In der Zeitschrift solle jedoch deutlich zwischen Analysen, Informationen und standpunktbezogenen Artikeln unterschieden werden, erläuterte Gandow das Konzept. Der Berliner Dialog erscheine in enger Zusammenarbeit mit dänischen, englischen und griechischen Schwesterzeitschriften. Auf diese Weise werde ein weltweites Korrespondentennetz genutzt.
Als Zielgruppe für die neue Zeitschrift nannte Gandow in erster Linie LehrerInnen, PolitikerInnen und Geistliche, aber auch „Gegner“ und Mitglieder der betroffenen Religionsgemeinschaften. Den interessierten Personen im öffentlichen Leben solle durch den Berliner Dialog eine Einschätzung der religiösen Gruppen ermöglicht werden. Die erste Ausgabe wurde in einer Auflage von 4.000 Exemplaren gedruckt. Einen Abonnentenstamm für die zehn Mark teure Zeitschrift gebe es allerdings noch nicht, räumte Gandow ein. Wegen der ungesicherten Finanzierung sei die Gründung eine reine „Glaubenstat“. Anne Kathrin Koppetsch
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