Wo ist die erste Reihe?

■ Alle Sender setzen mittlerweile massiv auf Image-Trailer

„Bei ARD und ZDF sitzen Sie in der ersten Reihe“ – ein Spruch, den mittlerweile wohl jeder auswendig kann. Die Imagekampagne mit Kultcharakter ist seit 1988 im Programm und gewann beim Internationalen Werbefilmfestival in Cannes 1993 einen Goldenen Löwen (für den „Schienbeintreter- Spot“). Nun wollen ARD und ZDF ihre Gemeinschaftswerbung „wegen Ermüdungserscheinungen“ zurückfahren.

Beim ZDF verkennt man die Bedeutung von Image-Trailern aber immerhin nicht ganz und baut dabei auf traditionelle Gesetztheit. Mit einem Etat von zwei Millionen Mark sollen künftig eigene Sendungen mit TV-Trailern angepriesen werden, zum Beispiel über einen Werbeclip für alle ZDF-Magazine der 21-Uhr-Schiene. „Es genügt längst nicht mehr, nur ein gutes Programm zu machen. Wir müssen auch klarstellen, daß es dieses Programm nur im ZDF zu sehen gibt“, verkündet Joachim Krischer selbstbewußt in Mainz. Und damit hat er den neuen Trend nicht ganz verpennt.

Die Privatsender setzen nämlich neuerdings massiv auf Imagetrailer, und das mit Erfolg. „Wir haben erkannt, daß bei aller Promotion für Programmhighlights das Übergreifende sehr wichtig ist“, meint Sat.1-Fachmann Nikolaus Geretshauser. Diese späte Erkenntnis beruht auf einem unerwarteten Erfolg: Der weihnachtliche Image-Trailer „Zünd eine Kerze an“, in dem Stars und Moderatoren dem geneigten Zuschauer ein frohes Fest wünschten, schlug ein. Hunderttausende von Zuschauern meldeten sich erfreut mit Danksagungen. Und so sollen nun neue Trailer hergestellt werden, um „die Popularität von Uschi Glas, Günter Strack und Margarethe Schreinemakers für den Imagetransfer zu nutzen“.

Satte vier Millionen will man dafür lockermachen. Die neuen Spots sollen Sat.1, so Geretshauser, vom Image des betulichen Familiensenders befreien, aber leider hat man sich da wohl die falschen Protagonisten ausgesucht, denn das genaue Konzept bereitet derzeit Kopfzerbrechen.

RTL möchte sich diese Kopfschmerzen von vornherein ersparen und schwimmt offensiv gegen den Strom. „RTL ist Europas erfolgreichstes Network, da müssen wir unser Image nicht mehr gründen – es ist längst fest verankert“, verkündet „Creative Director“ Manfred Becker. Er sieht im Moment keine Veranlassung, die jährlich mit sechs Millionen finanzierten 10.500 Programmspots durch Image-Trailer zu ergänzen. Das hätten höchstens Konkurrenten wie Pro7 nötig, meint er etwas abfällig: „Die müssen schließlich ihr neues Logo durchsetzen, das noch keiner kennt.“

Im Herbst 1994 wurde bei dem Münchner Privatsender das Erscheinungsbild geändert, und die Vorbereitungen für neue Image- Trailer laufen auf Hochtouren. Mit Unterstützung der renommierten US-amerikanischen Agentur Pittard-Sullivan-Fitzgerald sollen künftig „humorvolle“ Spots das Image des „jungen Spielfilmsenders“ unterstützen. Über die Inhalte macht sich derzeit eine 24köpfige Crew Gedanken.

Digitale Computeranimationen sollen dazu beitragen, daß Pro7 wie ein „Sender zum Anfassen“ wird: Eine metallisch-blaue Erdkugel dreht sich vor laufender Kamera; „wir wollen organischer, griffiger sein, nicht so glatt und stilisiert wie premiere“, erläutert Jan Körbelin.

Das konnte man beim Pay-TV- Sender natürlich nicht auf sich sitzen lassen. „Wir ziehen die puristische Art der Darstellung vor“, kontert Martin Gastinger von premiere. Hart geschnittene Film- und Musiksequenzen sollen hier die klare Aussage des Abo-Kanals unterstreichen: „Wir unterscheiden uns durch Exklusivität!“ Und damit schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe: Für Abonnenten dienen die Trailer, die Tages-, Wochen- oder Monatsprogramm ankündigen, als Programmpromotion, für Nichtabonnenten dienen sie als Image-Trailer. Caro Wenzel