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„Wir fordern eine Verschiebung der Wahlen“

■ Interview mit Beyene Petros, Vorsitzender der südäthiopischen Oppositionsgruppe COEDF, über die Gespräche mit der Regierung und die bevorstehenden Parlamentswahlen

Beyene Petros nahm als Vorsitzender des „Demokratischen Rates der südäthiopischen Völker“ (COEDF) und der „Demokratischen Koalition der südäthiopischen Völker“ (SEPDC) an den Gesprächen zwischen Äthiopiens Regierung und Opposition teil.

taz: Waren die Gespräche in Washington ein Erfolg?

Beyene Petros: Bisher hatte die EPRDF die Existenz von wichtigen Oppositionsparteien immer geleugnet. Nun hat sie wenigstens anerkannt, daß diese vier Parteien für den politischen Prozeß in Äthiopien wichtig sind, und ist mit uns in einen Dialog getreten. Das ist ein Sieg für unseren friedlichen Kampf. Und wir haben über einige der grundlegenden Probleme gesprochen, die gelöst werden müssen, damit endlich ein wirklich demokratischer Prozeß in Gang gesetzt wird. Jetzt sind unsere Vorwürfe öffentlich, und die Beobachter sehen, wer wirklich nach einer Lösung sucht, und wer nur seine Position sichern und die internationale Meinung manipulieren will. Und wir werden die Gespräche fortsetzen. Wir haben uns mit der EPRDF geeinigt, ein bilaterales Komitee zu gründen, und akzeptieren sieben unabhängige Beobachter, um den Prozeß zu erleichtern.

Was sind die strittigen Fragen in diesen Gesprächen?

Wir werden ganz pragmatisch vorgehen und uns nur mit Fragen beschäftigen, die mit dem Demokratisierungsprozeß zusammenhängen. Wir hoffen, daß sich die Verhältnisse so ändern, daß wir an den kommenden Wahlen teilnehmen und dann Veränderungen und Verbesserungen bewirken können. Wir sind sogar bereit, die jetzige De-facto-Regierung zu akzeptieren, solange sie den Prozeß der Demokratisierung nicht blockiert. Aber wir haben verlangt, daß sie alle politischen Gefangenen entläßt, die nicht angeklagt worden sind. Außerdem haben wir Sicherheitsgarantien für alle Parteimitglieder und -funktionäre verlangt und wollen die Möglichkeit haben, in den Regionen Büros zu eröffnen. Die EPRDF muß die Versammlungsfreiheit und die Unabhängigkeit der Justiz garantieren.

Wir fordern, daß die Wahlen verschoben werden, damit sich die Opposition vorbereiten kann. Außerdem muß das Wahlkomitee reorganisiert werden, denn im jetzigen ist nur die EPRDF vertreten. Und schließlich soll ein gemeinsames Gremium den Zugang aller Parteien zu den Massenmedien garantieren. Ein wichtiger Punkt ist auch, daß Armee und Polizei multinational werden.

Bisher haben Sie immer gefordert, den ganzen Prozeß neu zu beginnen.

Das hat sich geändert. Wir wollen jetzt pragmatische Forderungen stellen. Ob wir die Regierung für legitim halten oder nicht – die EPRDF ist an der Macht.

Gibt es in diesem Punkt Einigkeit?

Nein, es gibt keinen Konsens. Es gibt große Unterschiede zwischen den Parteien, die legal im Land arbeiten, also der SEPDC und der AAPO, und denen, die außerhalb Äthiopiens arbeiten müssen. Wir, die legalen Parteien, haben akzeptiert, die bestehenden Gesetze zu respektieren. Alles andere wäre sinnlos.

Aber die Parteien, die wie die OLF außerhalb des Landes arbeiten, haben dem nicht zugestimmt?

Ich kann nicht für die anderen Parteien sprechen.

Sind Sie optimistisch?

Wir versuchen unser Bestes. Wir wollen die EPRDF auf der Grundlage ihrer eigenen Versprechungen herausfordern. Das Ergebnis wird sehr stark davon abhängen, ob die Regierung es wirklich ernst damit meint, die politischen Bewegungen zusammenzubringen. Ich glaube allerdings, daß sie es nicht ernst meint und daß sie vor der internationalen Gemeinschaft nur nicht das Gesicht verlieren will. Denn die EPRDF kann nur mit auswärtiger Unterstützung regieren. Interview: Bettina Rühl

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