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Draußen vor der Tür

■ Mitarbeiter des Radiosenders Kiss FM besetzten ihr Studio und sperrten den frischgebackenen Geschäftsführer aus

Wenn junge Radiomacher im Senderaum übernachten, ist das mit Liebe zum Projekt allein nicht mehr zu erklären. So ging es den 25 festen Mitarbeitern von Kiss FM in der Nacht zu Donnerstag auch um mehr: um den Erhalt des Senders in seiner bisherigen Form. Denn die Jugendlichen hatten befürchtet, daß der jüngst bestellte Geschäftsführer Norbert Schmidt die Programmstruktur komplett ändern würde. Aus Protest hatten sie den 39jährigen Schmidt am Mittwoch morgen einfach nicht mehr ins Studio gelassen. „Und um zu verhindern“, so Kiss-Mitbegründer Stefan Rupp, „daß als Reaktion auf unsere Aussperrung die Schlösser ausgewechselt werden, haben wir Nachtwache gehalten.“

Die Entschlossenheit der Jugendlichen hat sich offenbar gelohnt. Noch am Mittwoch abend hat Frank Otto, der bislang 50,2 Prozent der Anteile hielt, in einer eilig einberufenen Gesellschafterversammlung angekündigt, seine Anteile der Kiss-Begründerin und früheren Geschäftsführerin Costoula Dornbrach zu veräußern. Die griechische Architektin wird dann mit 75 Prozent der Anteile wieder Hauptgesellschafterin sein – genau wie vor zwei Jahren, als sie auf der Suche nach einem finanziellen Partner auf eben jenen „Kulturmanager“ Frank Otto stieß und ihm 50,2 Prozent verkaufte.

Doch das Verhältnis von Otto und Dornbrach hatte sich immer mehr zugespitzt. Erst letzte Woche wurde Dornbrach, die von den Jugendlichen hoch geschätzt wird, als Geschäftsführerin entlassen. „Frau Dornbrach ist eine beeindruckende agile Lady. Aber sie hat keinerlei Erfahrung im professionellen Radiomachen“, so Frank Otto. Dessen Pläne waren ursprünglich, die Hälfte seiner Anteile an den Medienkonzern Europe 1 zu verkaufen, um sich seinerseits am geplanten „News Talk Radio“ beteiligen zu können. Als Dornbrachs Nachfolger bestellte Otto einen Mann, der bislang bei Radio Energy tätig war und zudem dem Radiogiganten Europe 1 gefallen hätte: Norbert Schmidt. Schmidt wollte nach Angaben der Mitarbeiter zum Beispiel die Gast- DJs aus dem Abendprogramm streichen. Und ein türkisches Jugendmagazin sollte durch einen „Sex-Talk“ ersetzt werden. Gerade das Programm für Minderheiten sowie die DJ-Schiene aber haben den Charme und den Charakter des Senders ausgemacht.

So sieht das auch die Medienanstalt Berlin-Brandenburg, die jetzt den neuen Gesellschafterverhältnissen zustimmte. In der Sendeerlaubnis der Anstalt heißt es: „Es wird ein Hörfunkvollprogramm veranstaltet, das sich in seinem Wort- und Musikanteil von Radio Energy, Fritz und RTL 104,6 deutlich unterscheidet. Dabei wird besonderer Wert auf die Integration Berliner Minderheiten gelegt. Das redaktionelle Programm ist sozial engagiert.“

Nachdem der jüngste Machtkampf auf dem härtesten Radiomarkt Deutschlands entschieden ist, wird Kiss FM (seit Ende Februar auf Antenne) den Anforderungen der Medienanstalt wieder gerecht werden können. Wie Costoula Dornbrach allerdings mit ihren Anteilen verfährt, ist noch nicht entschieden.

Die alleinstehende 52jährige Griechin hat nicht nur mehrere hunderttausend Mark und etliche unbezahlte Arbeitsstunden in das einzige deutsche DJ-Radio investiert; sie hat sich mit den Studenten auch so etwas wie eine zweite Heimat geschaffen. „Mir ging es nie ums Geld“, sagt sie. „Ich wollte gemeinsam mit den Jugendlichen ein lebendiges Radio machen.“

Wenn nach der nächsten Gesellschafterversammlung am 30. März auch die formalen Bedingungen dafür wiederhergestellt und die Anteile „in guten Händen“ sind, wird Costoula Dornbrach auch über eine Rückkehr nach Kreta nachdenken. Denn dort wartet ein Architekturprojekt auf sie. „Und außerdem“, sagt sie, „will ich irgendwann zurück in die Sonne.“ Wolfgang Farkas

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