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Raus aus dem Ghetto! Wohin?

■ „Medien, Markt, Moral“: Eine Multi-Kulti-Medientagung

Die ausländische Bevölkerung in der BRD muß sich in den deutschen Medien stärker als bisher wiederfinden. Diese Forderung war das zentrale Thema der Tagung „Medien, Markt, Moral“, die am Wochenende in Köln stattfand.

Der rein deutsche Bildschirm entspreche nicht der multikulturellen Realität, klagte WDR- Rundfunkrätin Arzu Toker. Es gäbe nur einen Weg der Integration: „Die nichtdeutschen Konsumenten müssen sich mit dem allgemeinen Programm identifizieren können, eine Spezialfrequenz für Ausländer ist doch ein Ghetto.“

Und so sah sich Jürgen Wiebecke vom Berliner Radio Multi- Kulti, der eigentlich mit einem Heimspiel in Sachen interkultureller Rundfunk gerechnet hatte, unversehens dem Vorwurf der Ghettoisierung ausgesetzt. Seiner Meinung nach ist der multikulturelle Versuchsballon des SFB aber keineswegs nur eine Welle für die ausländischen Berliner. Denn von sechs Uhr morgens bis vier Uhr nachmittags wird in deutscher Sprache gesendet. Dadurch sollen Deutsche und Ausländer der zweiten und dritten Generation, deren Muttersprache Deutsch ist, ans Radio gelockt werden, betonte er.

Ob diese Rechnung aufgeht, ist für Faruk Sen vom „Zentrum für Türkeistudien“ in Essen fraglich. Gerade bei den Nachkommen der größten Ausländergruppe, den Türken, sei eine Trotzreaktion zu erkennen: „Sie fühlen sich von den deutschen Medien vernachlässigt und greifen deshalb auf türkische Zeitungen und Fernsehsender zurück.“ Diese Trendwende stellte der Wissenschaftler in Untersuchungen über das Medienverhalten der sechs Millionen MigrantInnen fest. Diejenigen, die sich in Deutschland integriert gefühlt haben, hätten durch Mölln und Solingen einen empfindlichen Schlag bekommen und zögen sich jetzt zurück, so Sen. Nischenprogramme, wie die fremdsprachlichen WDR- Sendungen, seien keine Lösung: „Warum nicht mal einen türkischen Kommissar im Tatort?“

Der künftige WDR-Intendant Fritz Pleitgen schlug statt dessen eine bundesweite, mehrsprachige „Europa-Welle“ vor. Doch da schüttelte die bündnisgrüne SFB- Rundfunkrätin Alice Ströwer heftig den Kopf. Sie sieht in der Beschränkung auf Europa eine neue Ausgrenzung der nichteuropäischen Bevölkerung in der BRD.

Besonders die Nichteuropäer hätten es schwer, in den deutschen Medien Beachtung zu finden, bestätigte Mekonnen Mesghena, Journalist aus Eritrea und spielte dabei auch auf die Einstiegsschwierigkeiten von Medienmachern nichtdeutscher Herkunft an: „In Zukunft müssen mehr Journalisten nichtdeutscher Herkunft am Programm mitarbeiten, auch das ist Integration.“ Kirstin Hausen

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