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Südafrikas Kaiserin

Nach ihrem Amtsverlust eröffnen sich für Winnie Mandela ungeahnte Perspektiven  ■ Aus Johannesburg Willi Germund

„Wir müssen die Reihen schließen“, verkündete ANC-Parlamentarier Toni Yengeni wenige Stunden nachdem Winnie Mandela ihren Posten als Vizeministerin für Kunst, Kultur, Technologie und Wissenschaft verloren hatte. Zwei Tage davor hatte er sich über die „weißbeherrschte Presse“ erregt, die eine Kampagne gegen die entfremdete Ehefrau des Staatspräsidenten entfesselt habe. Peter Mokaba, Ex-Vorsitzender der ANC- Jugendliga und ebenfalls ein alter Gefährte Winnies, erklärte: „Ich werde mich nie von Comrade Winnie und von Präsident Mandela distanzieren.“ Die politische Karriere der skandalumwitterten Populistin mag einen Knacks erhalten haben, im ANC hat Winnie Mandela ihren Kampf nicht verloren. Bei den Vorstandswahlen des ANC-Kongresses im Dezember hatte sie die fünfthöchste Zahl der Delegiertenstimmen erhalten. „Kann der ANC sich eine Zersplitterung leisten? Das ist die Frage, die sich im Zusammenhang mit Winnie jedesmal stellt“, sagt ein ANC-Funktionär. Winnie Mandela sagt laut, was vielen ANC- Mitgliedern auf der Seele brennt. Schon während der südafrikanischen Demokratieverhandlungen warf sie den ANC-Oberen vor: „Der ANC kriecht unter die Seidendecken, unter denen schon die Nationale Partei von Frederik de Klerk liegt. Dabei wird das Elend unserer Anhänger vergessen.“ Da spielt kaum eine Rolle, daß Winnie Mandela selbst zu extravaganter Kleidung und teuren Limousinen neigt. Anhängern, denen die Veränderungen in Südafrika zu langsam kommen, sprach die einstige „Mutter der Nation“ mit dem Satz aus der Seele: „Nelson Mandela hat die Versöhnungspolitik mit den Weißen zu sehr verinnerlicht.“ Solche Sätze gehen an die Substanz, auf der das Vertrauen der weiß dominierten Geschäftswelt am Kap in die gegenwärtige Regierung ruht. Der interne Machtkampf im ANC garantiert Winnie Mandelas Zukunft. Denn trotz aller Beteuerungen der Einheit rumort es selbst in den Führungsetagen kräftig. Die alte Aufteilung in „Exilfunktionäre“, die jahrelang im Ausland lebten, und den Aktivisten, die vor allem in den 80er Jahren innerhalb Südafrikas den Widerstand trugen, besteht weiter. An der Spitze personalisiert sich dies im Gegensatz zwischen Generalsekretär Cyril Ramaphosa, einem ehemaligen Gewerkschaftsführer, und Vizepräsident Thabo Mbeki, langjähriger Exilverantwortlicher des ANC für internationale Beziehungen. Nelson Mandela bot 1994 angeblich den Posten des stellvertretenden ANC-Präsidenten Ramaphosa an; Mbeki ruhte nicht eher, bis er dies verhindert hatte. Ramaphosa genießt starke Unterstützung in den Provinzen; Mbeki braucht deshalb beim Diadochenkampf um die Mandela-Nachfolge jeden Verbündeten – inklusive Winnie Mandela. Gegenwärtig liegt Mbeki beim Nachfolgerennen vorn – so gut, daß es sogar Spekulationen gibt, mit dem Einverständnis aller Parteien könnten schon nach der für 1995 geplanten Verabschiedung von Südafrikas endgültiger Verfassung frühzeitige Neuwahlen ausgeschrieben werden. Bis dahin, so die Überlegungen, wären die wichtigsten Weichen für Südafrika gestellt, und der 77jährige Nelson Mandela dürfte sich in den verdienten Ruhestand zurückziehen. Mbeki dürfte freilich von den Überlegungen des Frauenmagazins You wenig erbaut sein: Nicht er, sondern Winnie Mandela würde dann von der ANC-Basis zur Präsidentschaftskandidatin gekürt. Denn allein der Name Mandela würde für ihre Nominierung reichen.

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