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Nie mehr Parkplatzsuchverkehr

Mobil sein und weniger umweltbelastend als andere – mit Car-Sharing / „MobilKonzept“ boomt, und bei „Stattauto“ kann man während des Klimagipfels die Aufnahmegebühr sparen  ■ Von Kathi Seefeld

Verspätung. Kein Parkplatz. Wieder einmal. Bis zu 40 Prozent des Verkehrs in den Großstädten ist Parkplatzsuchverkehr. Das jedenfalls besagte jüngst die vom Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegebene und pünktlich zum Weltklimagipfel vorliegende Studie der Uni Köln. In Berlin sucht man besonders fleißig. Ein Nachbar meinte neulich gar, daß er lieber aufs Kino verzichte, er habe gerade einen wunderschönen Parkplatz vor der Tür gefunden.

Angela Bender ist öffentlich gereist. Die Freude, nach der Wende endlich auch ein eigenes Auto zu besitzen, währte bei ihr nur ein Jahr. „Ein gebrauchter Lada war's. Ich saß auch gerne hinterm Steuer. Bis ist feststellte, daß ich von Tag zu Tag mehr fuhr. Selbst die 200 Meter bis zur Post.“ Es kamen Versicherungen, Automobilclub und TÜV, Reparaturen und Zeiten von Arbeitslosigkeit. „Andererseits gab es bei drei Kindern, oder wenn ich abends unterwegs war, genügend Gründe, nicht auf ein Auto zu verzichten.“

Angela Bender entschloß sich zum Car-Sharing. Der private PKW wurde abgeschafft. Vergeblich auf ein Fahrzeug hoffen mußte sie seitdem noch nie. „Manches regelt sich wohl auch von selbst. Wir haben TeilnehmerInnen, die es ablehnen, bei Eis und Schnee zu fahren, andere satteln im Sommer prinzipiell aufs Fahrrad um.“ Angela Bender nimmt den Kleinwagen für die Abendtermine. Einen Kombi für den Urlaub auf Bornholm mußte sie etwas längerfristig buchen, faktisch mit dem Ferienhaus. „Wer beim Car-Sharing mitmacht, braucht im Gegensatz zu Autoverleihern auch keine mehrjährige Fahrpraxis. Wäre ja auch sinnlos, wenn man sich nur zum Üben ein eigenes Auto anschafft, um es dann wieder stillzulegen.“

75 Mark Aufnahmegebühr sowie 700 Mark Einlage, die der Car- Sharer bei Austritt zurückerhält, kostet derzeit eine Mitgliedschaft bei „MobilKonzept“ in der Schönhauser Allee 64. Die Tarife liegen für einen Kleinwagen tagsüber bei 4,50 Mark pro Stunde, es gibt Wochenangebote für 210 Mark, und Frauen können nachts kostenlos, Männer zwischen 22 und 8 Uhr für nur 12 Mark unterwegs sein.

Car-Sharing, die Nische zwischen Taxi (für kürzere Strecken) und Leihwagen (für längere Distanzen und längere Dauer), wie es in der Kölner Studie heißt, „liegt voll im Trend“, so „MobilKonzept“-Geschäftsführer Rüdiger Sass. Kosten senken, lästige Arbeiten umgehen, die mit dem Besitz eines eigenen PKW verbunden sind, ökologisch handeln und dennoch jederzeit mobil sein – der 29jährige Betriebswirtschaftsstudent setzte auf das „unverkrampfte Umweltbewußtsein der Ostberliner“ und lag damit nicht falsch. Waren es im Frühjahr 1993 zunächst nur ein paar Freunde, „ökologische Überzeugungstäter“, die, angespornt vom großen Vorbild „Stattauto“, mitmachten, verdoppelte sich nun innerhalb eines halben Jahres die Zahl der Car- Sharer bei „MobilKonzept“ auf 327 Mitglieder.

Und auch „Stattauto“, Deutschlands älteste und größte Car-Sharing-Organisation, kann über mangelnden Zulauf nicht klagen. 2.300 TeilnehmerInnen nutzen inzwischen die 120 Stattautos in Berlin. Alle standen jedoch bis vor kurzem vor dem Problem, sich in den Parkplatzsuchverkehr in der Stadt einreihen zu müssen. Reservierte Stellplätze hatte der Senat jahrelang mit der Begründung abgelehnt, daß damit auch andere Bevölkerungsgruppen Ansprüche anmelden könnten. „Vor einem Monat“, so „Stattauto“-Geschäftsführer Markus Petersen, „ist nun endlich Bewegung in die Sache gekommen. Gleichzeitig mit dem ersten Zubehörhäuschen, das wir einweihten, um unseren Mitgliedern künftig leichteren Zugriff auf Dachgepäckträger oder Kindersitze zu ermöglichen, vermietete uns Berlin einen ersten Stellplatz. Für 82,50 Mark monatlich, was dem Preis einer BVG-Umweltkarte entspricht, direkt vor dem Sitz des Verkehrssenators.“ Mag sein, daß diese Entwicklung der Finanznot Berlins geschuldet ist.

Mag sein, daß die Statistik überzeugte, wonach ein privates Durchschnittsmobil 23 Stunden am Tag eben nicht fährt, sondern steht, und das, wenn es denn fährt, nur 1,3 Personen nutzen, während die Auslastung beim Car-Sharing 3,2mal höher ist.

Während der Zeit des Weltklimagipfels wirbt „Stattauto“ übrigens mit einer besonderen Kampagne um weitere Mitglieder. Unter dem Motto „Das ist der Gipfel“ braucht, wer zwischen dem 28. März und dem 13. April Car-Sharer wird, keine 200 Mark Aufnahmegebühren zu zahlen.

MobilKonzept, Telefon 445 97 04, Fax 444 35 72. Stattauto, Telefon 441 37 73, Fax 441 84 87

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